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Der Wald der verlorenen Schatten

Ich habe ja so eine Hassliebe für K-Dramas: Die bieten oft wundervolle Grundlagen, die mir erlauben, mich total hineinzuträumen. Dann nutzen sie diese Grundlagen aber nicht in der Geschichte, sondern sie dienen bloß als Firnis für eine Standard-Geschichte, wo das Aussehen beliebig ist.

Da ich gerade Der Wald der verlorenen Schatten von Danbi Eo gelesen habe, dachte ich mir, ich zeige einfach anhand dieses Romans mal, was ich meine.

Grundlage des Romans: Es gibt in der Nähe des Dorfes Dogi einen Wald, den man nur mit rituellem Schutz betreten darf. Nur, solange ein selbst entzündetes Licht im Schrein vor dem Wald brennt, kann man ihn gefahrlos betreten. Wenn man ihn ohne diesen Schutz betritt, löst sich der Schatten von den Füßen und versteckt sich im Wald. Ohne Schatten kann man den Wald nicht wieder verlassen und wird langsam zu einem Teil des Waldes. Herrscher des Waldes ist ein alter Gingko-Baum, der Erinnerungen sammelt. Er wird unterstützt von einer Halbfee, die keine Ahnung hat, was Emotionen oder Mimik sind. Außerdem gibt es Erdkobolde, Geisterflammen und eine Yashi.

Im Roman stolpert die Protagonistin durch den Wald, gerät in Probleme, wird von der Halbfee oder den Geisterflammen aus der Gefahr gerettet, und erhält natürlich am Ende ihren Schatten zurück und findet ihre große Liebe. Zwischendurch beginnt sie sich aufzulösen und fühlt sich in jeglicher Hinsicht leichter.

Mir ist natürlich klar, worum es im Roman geht: Die Frau wirft die Fesseln ihres Traumas ab und kann dadurch eine Beziehung eingehen. Sie lernt, ihr Leben nicht mehr von äußeren Umständen definieren zu lassen und kann so endlich ihren eigenen Weg gehen und anderen offen gegenübertreten.

Aber warum, warum, muss das in dieser unverbindlichen Form geschehen? Lass sie doch ihre Emotionen oder Erinnerungen einsetzen, um die Gefahren zu umgehen. Sie empfindet vieles davon als Last, es wäre also zunächst wirklich erleichternd. Erst im Laufe der Geschichte bemerkt sie, was sie mit ihren Erinnerungen oder Emotionen verliert und muss dann zum Ende der Geschichte wirklich entscheiden, was sie aufgibt: Ihren Schatten oder ihre letzte Emotion / Erinnerung.

Es wäre im Grunde immer noch die gleiche Geschichte, aber das ganze Bühnenbild ergäbe plötzlich Sinn und wäre tief mit der persönlichen Seite verbunden, anstatt dass sich beide Seiten unverbindlich gegenüberstehen. Immer, wenn ich so etwas sehe, spüre ich das Verlangen, die Autoren zu schütteln und „Warum? Warum nutzt ihr euer cooles Setup nicht aus!“ zu rufen.

Ich kenne die Antwort natürlich: K-Dramas sind Isekai-Geschichten für pubertierende Mädchen und ich bin weder ein Mädchen noch in der Pubertät, also sehr weit außerhalb der Zielgruppe. Aber meine Güte, es enttäuscht mich jedes Mal wieder – vor allem, weil Bücher wie die Herbstlande zeigen, wie es auch anders geht.

[Rezension] Die Alchemie des Träumens

Die Alchemie des Träumens ist ein Urban-Fantasy-Krimi von Iva Moor, der im New York der späten 1940er Jahre spielt. Das Umfeld ist eine magische Halbwelt, die von der mundanen Welt abgeschirmt wird bzw. in deren „Untergrund“ existiert. Moiren Bran, eine Hexe mit geringen magischen Fähigkeiten, arbeitet als Investigativreporterin, gerät aber aufgrund ihrer Recherchen in Konflikt mit der magischen Unterwelt und muss ein Verbrechen aufklären, um ihr Leben zu retten. Neben der eigentlichen Ermittlung geht es auch um ihre Einstellung zu sich selbst, historische Ereignisse und die Natur von magischen Wesen an sich.

Jede dieser Erzählebenen für sich entspricht dem Genre-Standard: Gut, aber nicht herausragend. Sie lassen sich gut lesen, die Handlung fließt munter dahin und es wird nie langweilig. Die Hintergrundwelt an sich entspricht im Großen und Ganzen auch dem Genre-Standard, wodurch man sich gut in die Geschichte einlassen kann, enthält aber doch genug Eigenarten, dass es nicht wie ein billiger Abklatsch wirkt. Die Vermischung beider Ebenen hingegen steigt über den Standard hinaus: Der Fall lässt sich wirklich nur durch Kombination magischer und mundaner Ermittlungsarbeit lösen, weil auch die Tat nur durch eine Kombination dieser beiden Welten durchgeführt werden kann.

Leider führt diese eigentlich geniale Mischung dazu, dass der Roman extrem umfangreich wird. Der Inhalt hätte problemlos für zwei, vielleicht sogar drei Bände gereicht (bzw. für eine Miniserie im Fernsehen), weil die Hauptermittlung in zu viele Teilbereiche zerfasert, die teilweise auch nichts miteinander zu tun haben. So wird zwar vieles angeschnitten, lässt mich aber doch verwirrt zurück – was hat es z.B. mit den verschiedenen Magiesorten jetzt auf sich? Oder dem Verhältnis der verschiedenen magischen Wesen?

Insgesamt finde ich das Buch trotzdem empfehlenswert: So gut werden beide Welten (Urban Fiction und Krimi) selten kombiniert. Es gab eigentlich nichts an dem Buch, was mir unangenehm aufgestoßen ist – selbst in Bereichen, die mich normalerweise nerven. Wer also nicht vor dicken Bücher zurückschreckt und entweder Krimi oder Urban Fantasy mag und das jeweils andere Genre nicht grundsätzlich hasst, sollte hier zugreifen.

[In die Tiefen] Neues Magiesystem

Die Zauber meines Heartbreakers „In die Tiefen“ brauchen mehr Flair und weniger Überschneidungen mit Fähigkeiten der anderen Klassen. Idealerweise sollten sie zudem ein gemeinsame Thema haben.

Dazu orientierte ich mich am REIGN Enchiridion von Greg Stolze. Dort schlägt er für Magie quasi zwei Pflöcke ein: Die Grenzen der Magie und die Möglichkeiten der Magie. Sein Ziel ist dabei, die Magie zu einem vielseitigen Werkzeug zu machen, das man kreativ einsetzen sollte. Magier sollen in der Lage sein, großartige Dinge zu vollbringen – ohne dabei die normalen Fähigkeiten überflüssig zu machen.

Meine erste Idee war: Zauber haben eine Kombination aus Wirkung und Nebenwirkung. Jede Kombi existiert nur einmal – sprich, wenn ich eine tolle Kombi bei jemanden gesehen habe, muss ich den erst umbringen (oder anderweitig dazu bringen, den Zauber zu vergessen), um die Kombination zu erlernen. Das sollte Magier einerseits arg paranoid machen, damit sie sich in Hochsicherheitstürmen im Wald verschanzen, andererseits dafür sorgen, dass verschiedene Zauber genutzt werden.

Das wäre für dystopische Geschichten vermutlich auch super, aber einige wiesen darauf hin, dass das a) Magier extrem antagonistisch machen würde, was das gemeinsame Spielen in einer Gruppe erschwert, und b) wäre unklar, wie es überhaupt mehr als eine Handvoll Magier geben kann.

Ich entschied mich daher schließlich für eine andere Variante: Zauber haben eine Nebenwirkung, aber sie können ganz normal gelernt und weitergegeben werden. Sprich, jeder Zauber hat eine kleine Nebenwirkung (wie etwa: Ein Beschleunigen-Zauber kostet dem Ziel Erschöpfungswürfel, ein Hellsichtszauber schaltet während der Wirkungsdauer die anderen Sinne ab). Es gibt aber Gerüchte, besonders mächtige Magier hätten perfekte Formen der Zauber entwickelt: So perfekt, dass sie zu jeder Zeit nur einem Sterblichen bekannt sein können. Aber niemand hat sich jemals öffentlich dazu bekannt, eine perfekte Form entwickelt zu haben…

So wird aus einer Einschränkung ein mögliches Ziel für Spieler-Zauberer: Sie können versuchen, einen dieser Erzmagier zu finden und ihm den Zauber zu entreißen.

[Kurz] Downcrawl – Serendipitous Adventures in a Weird Underw

Mir wurde das Heftchen Downcrawl – Serendipitous Adventures in a Weird Underworld empfohlen, weil es gute Regeln für Dungeons als Orte der Anderswelt bietet. Dem kann ich nur zustimmen: Es enthält wirklich gute Ideen, Zufallstabellen für Orte und Taxa, und Ideen für Reise mit Schwierigkeiten.

Wie beschrieben geht es von einer Unterwelt aus, aber grundsätzlich ließe es sich problemlos auch für Feenwelten oder Rosen-Einstein-Brücken einsetzen. Seinen vollen Nutzen spielt es vermutlich nur bei Erkundungs-basierten Spiel aus, aber selbst für eher plot-orientiertes Spiel könnte es zur Gestaltung von Nebenorten hilfreich sein.

Mich stört an Downcrawl nur das erzwungen-bizarr andere und die Abgeschlossenheit (im Sinne von Einbahnstraße: Man kommt rein aber nicht raus), wodurch es quasi gezwungenermaßen zum Hauptinhalt der Kampagne wird. Mir fehlt dadurch ein wenig die Abgrenzung zwischen dem Vertrauten und dem Unheimlichen.

[In die Tiefen] Fazit und Abschluss

Das war es mit meiner Mini-Serie zu meinem Heartbreaker „In die Tiefen“. Insgesamt bin ich mit dem Spiel zufrieden, aber man merkt den Teilen an, wie intensiv ich mich damit beschäftigt hatte.

Die Teile, zu denen ich mir intensiv Gedanken gemacht habe, gefallen mir heute größtenteils noch. Die Teile, die ich ohne großes Nachdenken als OSR-Standard übernommen habe, brauchen mindestens noch Feinschliff. Dazu hat mein Geschmack sich seit Veröffentlichung etwas verändert – das bleibt ja nie aus.

Was ist mein großes Fazit für meine Heartbreaker-Serie?

  1. Es reicht nicht, sich einzelne Regelteile anzusehen, um zu verstehen, was einem an einem Spiel gefällt oder nicht gefällt. Splittermond z.B. macht sehr vieles richtig, aber das Gesamtpaket gefällt mir trotzdem nicht – obwohl die einzelnen Regelteile meinen Ansprüchen entsprechen.
  2. Regeln müssen gut ineinander greifen, damit sie Spaß machen. Das muss kein extrem ineinander verzahntes System wie bei Splittermond oder Savage Worlds sein, aber sie müssen im Gesamtbild zusammenpassen. Das betrifft sehr viele der Dinge, die ich bei meinen eigenen Regeln überarbeiten möchte. Der Glücksritter zum Beispiel gefällt mir an und für sich sehr gut, aber er passt einfach nicht zum Rest des Spiels.
  3. Die besten fremden Mechanismen sind die, die einen zu eigenen Mechanismen inspirieren. Die Kampfregeln basieren zB größtenteils auf Ideen aus Fate, obwohl ich keine einzige Mechanik aus dem Spiel übernommen habe. Lediglich die Vorgehensweise habe ich auf die OSR adaptiert.
  4. Ob ein Spiel als regelleicht oder regelgewichtig empfunden wird, hängt überhaupt nicht von der Anzahl der Regeln ab. Es hängt viel stärker davon ab, ob die Regeln dem eigenen Spielstil entsprechen oder nicht. Ich würde In die Tiefen als regelleicht einstufen, aber das liegt nicht daran, dass es so wenige Regeln gibt (The Black Hack hat viel weniger Regeln), sondern nur daran, dass die vorhandenen Regeln meinen Vorlieben entsprechen.
  5. Der erste Versuch, eine eigene Regel zu erklären, verwirrt Fremde immer.

Und, zu guter Letzt: Es hat mir Spaß gemacht, mein eigenes Regelwerk zu bauen. Allein das Bauen an sich war es wert. Ich hoffe natürlich, dass auch andere Spieler gute Ideen aus dem Spiel ziehen können, sich vielleicht zu eigenen Mechanismen inspiriert sehen, aber selbst wenn nicht: Vielen Dank fürs Lesen, das Interesse an meinem Spiel und viel Spaß beim weiteren Rollenspiel!

[In die Tiefen] Der Kampf

Die Kampfregeln weichen wohl am stärksten vom OSR-typischen Aufbau ab, da mir der überhaupt nicht liegt: Ich handele einen Kampf gerne etwas hemdsärmelig ab, ohne groß Bewegungsweiten oder Entfernungen zu beachten.

Trotzdem wollte ich die taktischen Elemente erhalten, die sich oft aus diesen Punkten ergeben. Ich finde, insgesamt ist mir das recht gut gelangen. Lediglich bei Schaden und Gift würde ich stärker auf das Teilerfolgs-System setzen.

Besonders schön: Das System kommt mit einer Handlung pro Spielfigur pro Zug aus.

Entfernung

Hierbei geht es nicht um die absolute Entfernung, sondern um die relative Entfernung der Beteiligten zueinander. Das Kampffeld wird in grobe Zonen eingeteilt, innerhalb einer Zone können alle Beteiligten miteinander interagieren (z.B. angreifen).

Auf offenem Feld entspricht der Umfang einer Zone ungefähr der Bewegungsweite der beteiligten Figuren; Zonen enden aber auch an Hindernissen wie etwa Bächen, verteidigten Nadelöhren oder einem Kreis aus Leibwächtern, die den Hohepriester in ihrer Mitte schützen. Ein solches Hindernis muss aktiv überwunden werden, was mindestens eine Handlung kostet.

Durch geschicktes Manövrieren lassen sich die Zonen des Gegners verkleinern, indem man ihn z.B. umzingelt oder seine Bewegungsfähigkeit einschränkt.

Initiative

Im Kampf handeln alle Beteiligten gleichzeitig, die Initiative gibt daher nur an, in welcher Reihenfolge die Spieler handeln. Auch eine Figur, die im Laufe des Zugs bereits überwunden wurde, kann also noch handeln.

Wenn sich aus der Situation ergibt, wer angreift, darf der Angreifer zuerst handeln. Ansonsten würfeln die Spieler und der Meister je 2W6, derjenige mit dem höheren Resultat beginnt. Anschließend sind alle in der Sitzreihenfolge im Uhrzeigersinn an der Reihe.

Handlungen

Eine Spielfigur kann sich während eines Zugs frei innerhalb der Zone bewegen, in der sie sich gerade aufhält. Wenn sie etwas anderes tun oder die Zone verlassen will, muss sie handeln, also eine ihrer Handlungen einsetzen. Normale Spielfiguren verfügen über eine Handlung pro Zug.

Angriffe

Angriffe erfordern eine Probe und einen Schadenswurf. Im Augenblick sind Erfolg der Probe und Schaden unabhängig, das würde ich inzwischen überarbeiten.

Daneben gibt es eine Spezialangriffe wie den Stich ins Herz, Hinterhältige Angriffe, Würgen und den unbewaffneten Kampf, und Defensivaktionen wie das Parieren.

Flankieren

Normalerweise wird das Flankieren über die Position der Figuren zueinander abgehandelt, da ich keine genaue Positionen kenne, geht das natürlich nicht. Stattdessen erfordert es eine Handlung, dem Gegner in die Flanke zu fallen.

Verzögern und Zuvorkommen

Eigentlich handeln alle Beteiligten gleichzeitig, aber manchmal gibt es Situationen, in der man einer Figur unbedingt zuvorkommen will. Das geht, indem man in Runde 1 seine Handlung verzögert. Dieses Verzögern sorgt dafür, dass man in der nächsten Runde jederzeit die Handlung anderer Figuren verhindern kann. (Dies kann z.B. sinnvoll sein, um einen gedeckten Gegner anzugreifen.)

Deckung

Teilweise Deckung erhöht die Rüstung, volle Deckung verhindert jegliche Angriffe. Unsichtbare Gegner gelten als teilweise gedeckt.

Moralwaffen

Einige Waffen wie z.B. Fackeln oder Peitschen, verursachen gegen gerüstete Gegner keinen Schaden, sondern macht einen Moralwurf erforderlich. Gegner können so von einem Angriff abgehalten oder in die Flucht geschlagen werden.

Flucht und Verfolgung

Einzelne Gegner können problemlos fliehen, lediglich wenn eine ganze Seite flieht, gibt es Nachteile.

Moralwürfe

Nichtspielerfiguren müssen unter bestimmten Bedingungen Moralwürfe ablaufen, wenn diese fehlschlagen, müssen sie im folgenden Zug entweder fliehen oder sich ergeben. Spielerfiguren können versuchen, Fliehende zu sammeln.

Verletzungen

Erst, wenn die Ausdauer auf 0 sinkt, wird eine Figur tatsächlich verletzt. Jede Verletzung sammelt einen Todeswürfel an. Immer, wenn sie einen Todeswürfel erleidet, muss sie alle bisher angesammelten Todeswürfel werfen und das Ergebnis mit der Todes- und Verstümmelungs-Tabelle vergleichen.

[In die Tiefen] Schauplätze und Hintergrundwelt

In die Tiefen kennt vier mögliche Schauplätze: Dungeon, Wildnis, Hohe See und Zivilisation. Zunächst fand das ganze in einer Hintergrundwelt statt, die unserer Welt während der frühen Neuzeit ähnelte, aber mit der Zeit verschob sich der Fokus.

Vor allem bei der Arbeit an meinem Monsterhandbuch veränderte meine Wahrnehmung, weg von einer mehr oder weniger realistischen Welt, zu einer Welt, die quasi vollständig von Anderwelten durchwoben ist. Menschen brauchen die Zivilisation, um als Menschen zu überleben. Magie bedeutet Gefahr, denn wenn man zu viel Ort bündelt wird er zu einem Teil der Anderwelt: Einem Dungeon.

So habe ich auch gleich eine praktische Erklärung, warum so viele Dungeons in der Welt rumliegen: Es sind ehemalige Abenteurer, die zu viel Magie gehortet hatten. Es erklärt auch, warum Magier so abgelegen wohnen: So können sie das Magieniveau ihrer Umgebung besser kontrollieren und auf einem akzeptablen Niveau halten. (Was noch fehlt, sind allerdings wirklich gute Regeln, die diese Gefahr abbilden, ohne Abenteurer vollständig von Magie abzuhalten.)

Die Abenteurer gehören zu einer Zwischenwelt: Sie sind zwar mit der Zivilisation verbunden, haben sich aber freiwillig in Zwischenräume begeben – Übergangsorte zwischen Dies- und Anderwelt -, um magische Fähigkeiten zu erlangen. Diese Fähigkeiten erlauben es ihnen, die Gefahren außerhalb der Zivilisation zu überwinden und so die Zivilisation zu beschützen. Gleichzeitig erschwert es ihnen aber auch, vollständig in der Zivilisation zu leben: Wenn sie zu lange dort bleiben, verlieren sie ihre besonderen Fähigkeiten mit der Zeit.

Die Dungeons stellen eine Form der Anderwelt dar, die Naturgesetze gelten hier nicht mehr (zumindest nicht mehr uneingeschränkt) – Alex Schröder hat das in seinem Megadungeon-Pamphlet gut erklärt. Wildnis, Hohe See und Zivilisation dürften als Begriff jedem vertraut sein.

[In die Tiefen] Zeitverlauf, Begegnungen, Fertigkeiten

Nach eher durchwachsenen Kapiteln kommen wir nun zu einem Teil, dessen Umsetzung mir nach wie vor gut gefällt: Zeitverlauf und Begegnungen.

Zeitverlauf

Der Zeitverlauf unterscheidet klar zwischen Kämpfen und Erkundung: In Kämpfen gibt es Züge, in denen jede Figur einmal handelt, bei der Erkundung gibt es Runden, die die Zeit für einen Schauplatzwechsel angeben.

Was bedeutet das konkret? Es gibt keine fixe Dauer für Runden, sondern die Länge einer Runde hängt immer vom Schauplatz ab. Die Schauplätze folgen in einem eigenen Kapitel, aber sie umfassen immer ein größeres Gebiet: Etwa eine Flucht Räume in einem Megadungeon oder ein Straßenzug in einer Stadt.

Anstatt genau auszurechnen, wie viele Minuten oder Stunden vergangen sind, kann man einfach Pi mal Daumen die Anzahl der Schauplatzwechsel heranziehen. Dies erleichtert die Buchhaltung enorm, sorgt aber gleichzeitig für einen leicht nachvollziehbaren Verlauf von Zeit: Man muss keine Nebenrechnung aufstellen, wie viele Fackeln verbraucht wurden, sondern kann das abstrakt abschätzen.

Begegnungen

Begegnungen nutzen endlich mal die Teilerfolge vollständig aus: Je besser der Wahrnehmungswurf, desto genauer die Informationen. Bei Reaktionen von Zufallsbegegnungen gilt das gleiche, je besser das Ergebnis, desto freundlicher die Einstellung der Meisterfiguren.

Zudem kann die Entfernung zwischen zwei Gruppen einfach mit einem W6 bestimmt werden: Je mehr Augen, desto weiter entfernt die Gruppen voneinander. Die Entfernungen betten sich wunderbar in die sonstigen Regeln ein und bieten alle klar unterschiedliche Möglichkeiten, mit der anderen Gruppe umzugehen: Vom überraschenden Ineinanderlaufen bis zum Wahrnehmen am Horizont.

Die Entfernungen entsprechen auch den Zonen: Zonen geben an, in welchem Bereich Spielerfiguren handeln können, ohne eine Aktion aufzuwenden. Dies spielt vor allem im Kampf noch eine Rolle.

Fertigkeiten

Mit den Fertigkeiten bin ich nicht ganz so zufrieden, die sollte ich in einigen Punkten noch anpassen. Vom Umfang gefallen sie mir aber gut und sie decken alle Bereiche ab, die ich im Abenteuer regelmäßig benötige: Mechanik (Fallen und Schlösser), Naturkunde, Heimlichkeit (Verstecken und Schleichen), Schwimmen. Einzig Spuren lesen werde ich entfernen und einfach mit unter Naturkunde packen.

Insgesamt fügen sich auch die Fertigkeiten gut in die Probenergebnisse ein.

[In die Tiefen] Ausrüstung, Gold, Belastung und Personal

Ein großer Bestandteil der OSR ist die Verwaltung von Ausrüstung auf Expeditionen ins Unbekannte. Dies geht normalerweise mit massiver Buchhaltung einher, wo verschiedene Münzen, Pfeile und ähnliches sowohl in Anzahl als auch Belastung mitgehalten werden müssen.

Einerseits nervt mich diese Buchhaltung, andererseits macht die Ausrüstungsverwaltung einen wichtigen Teil des Spiels aus. Ich habe nie eine Lösung gefunden, die mich wirklich überzeugt hat – die Regeln bei In die Tiefen machen da keine Ausnahme.

Nahkampfwaffen und Rüstungen fallen noch größtenteils in den Rahmen, der mir zusagt, aber Schilde und Fernkampfwaffen müssten dringend überarbeitet werden. Ebenso die lange Ausrüstungsliste, die vermutlich komplett gekippt werden sollte.

Ähnliches gilt für die verschiedenen Arten des Personals: Mietlinge liegen noch im Rahmen, aber die Listen für Experten und Söldner sind einfach exzessiv und trotzdem unbefriedigend. Die Regeln für Gefolge konnte ich noch nie testen, weil keiner meiner Spieler jemals welche anheuern wollte.

Der gesamte Teil aus Ausrüstung und Personal müsste dringend komplett überarbeitet werden. Ich bin mir aber nicht sicher, wie ich sinnvoll den Spagat hinkriege zwischen spielbereichernder Ausrüstung und niedrigem Verwaltungsaufwand.

[In die Tiefen] Die Klasse der Klassen

Schubladen sind äußerst praktisch, man kann darin Dinge verstauen, die man bei guter Sortierung dann einfach wiederfindet. Daher mag ich auch im Rollenspiel nicht auf Klassen verzichten.

Bei In die Tiefen gibt es sechs davon: Kämpfer, Glücksritter, Waldläufer, Zauberer, Mystiker und Fanatiker. Alles Klassen besitzen eine Kampffertigkeit, eine Anzahl Angriffe, eine Startausrüstung und drei Spezialfähigkeiten.

Kämpfer und Glücksritter entsprechen ziemlich genau Fahfrd und dem Grauen Mausling, der Waldläufer entspricht größtenteils dem Waldläufer aus AD&D. Mit allen drei bin ich nicht mehr richtig zufrieden: Zum einen hat sich meine vorgestellte Hintergrundwelt inzwischen auf ein bestimmtes Flair verschoben, dem diese Archetypen nicht mehr entsprechen. Zum anderen sind ihre Fähigkeiten vergleichsweise passiv, wie auch bei den Taxa möchte ich aber möglichst Fähigkeiten, die der Spieler aktiv einsetzen kann.

Der Zauberer vereint die beiden großen Magie-Klassen, Magier und Kleriker, aus D&D. Statt zwischen göttlicher und arkaner Magie unterscheidet In die Tiefen zwischen Magie der Ordnung und Magie des Chaos: Für beide benötigt man nur das Wissen, um sie anzuwenden, aber keine besondere Gabe oder Verbindung zu Göttern. Beide gewinnen ihre Magie aus unterschiedlichen Quellen: Zauberer der Ordnung müssen meditieren, können aber immer nur auf ihre eigene innere Stärke zurückgreifen. Zauberer des Chaos müssen Blutopfer bringen, können dafür aber Trefferwürfel horten.

Hier würde ich nur die Zauber überarbeiten, die ihnen zur Verfügung stehen. Sie wirken zum einen zu generisch, zum anderen wildern sie mir zu stark in anderen Bereichen.

Mystiker vereinen die Spezialfähigkeiten von Mönchen und Klerikern aus D&D (garniert mit ein kleines wenig Jedi-Ritter): Menschen, die sich in die Einsamkeit zurückgezogen haben und dort eine tiefe Einsicht gewonnen haben, die ihnen nun übernatürliche Kräfte verleihen.

Fanatiker stellen die Dark Fantasy-Version des Paladins dar. Ihr Eifer ist derart ausgeprägt, dass sogar die Realität nicht immer gegen ihre Überzeugung ankommt, und andere Menschen geraten angesichts derart fanatischer Überzeugung in Selbstzweifel.

Mystiker und Fanatiker würde ich so lassen, wie sie sind, aber die anderen Klassen stärker auf meine Hintergrundwelt anpassen (die angedeutete Hintergrundwelt werde ich in einem späteren Beitrag erklären). Außerdem würde ich mir thematischere Zauber ausdenken und Waldläufer, Krieger und Glücksritter deutlich überarbeiten.