Archiv für den Monat: April 2008

[REIGN] Die One-Roll-Charaktererschaffung

Die Tabelle zur Erschaffung von Zufallscharakteren auf S. 50/51 lässt sich nur teilweise übernehmen, viele Punkte passen nicht oder sind zu eng. Zum Glück basieren sie ja auf einem Punktkaufsystem, so daß man sie ohne größere Probleme anpassen kann. Ich möchte hier darauf hinweisen, daß dies keine wissenschaftlich fundierte Auskunft zur Gesellschaftsstruktur im Mittelalter ist, sie nähert sich eher derjenigen Struktur an, die im Mittelalter als ideal angesehen wurde (und selbst da wurden noch einige Abstriche zugunsten der Spielbarkeit gemacht).

Wer mehr über Leben und Gesellschaft im Mittelalter lernen möchte, dem empfehle ich das Buch Jacques LeGoff: Der Mensch des Mittelalters.

Einserpasch: Aus dem Bettler wird fahrendes Volk, welches auch gelegentlich mal bettelt. Dementsprechend erhält der Lowly Beggar lediglich Plead +1, dafür kommt aber Expert:Handwerk +1 hinzu. Als Handwerk kommen z.B. Tanzmeister, Kesselflicker, Scherenschleifer, Korbflechter, Löffelschnitzer, Quacksalber, Wunderheiler, Zahnreißer und dergleichen in Frage. Kirmesleute erhalten Perform +1 als Handwerksfertigkeit.

Zweierpasch: Der Burglar erhält Scrutinize+1 anstatt Wealth +1. (Wenn er Geld hätte, würde er nicht länger Häuser ausnehmen, sondern irgendwas tun, womit man richtig Geld verdienen kann und sich in die Politik einmischen) Statt eines Diebes mag es sich hier auch um einen Kundschafter handeln.

Dreierpasch:Aus den wandernden Künstlern werden Wanderprediger und Mystiker, als Street Entertainer ersetzen diese Jest durch Intimidate und Perform durch Inspire, als Successful Player wird statt bei Perform entweder bei Intimidate oder bei Inspire ein Würfel zum Expert die (je nachdem, ob sie eher Furcht vor der Apokalypse verbreiten oder Gläubige zu einem gottesfürchtigen Leben anspornen wollen).

Viererpasch: Beim Miserly Merchant wird die Possession: Transport durch Lie +2
ersetzt,es ist bloß ein Kiepenkerl (der mit der Kiepe auf dem Rücken rumläuft) oder ein Kleinhändler, der sich bei einem größeren Händler einen Platz in der Karawane gemietet hat. Der Canny Merchant hingegen erhält statt Student of Navigation +1 und Lie +2 die Possession: Merchant Riverboat, da die wichtigen Handelszüge die Flüsse entlangziehen. (Sollte er eher im Außenhandel mitgewirkt haben, so hat er sich einem großen Handelszug angeschlossen und statt des eigenen Boots vermutlich Empathy +1, Luck (1) und Endurance +1 erworben)

Fünferpasch:
In Einzelfällen mag sich einmal ein Charakter aufs Meer verirrt haben, etwa bei einem Rus‘er, der bei fremdländischen Händler anheuerte oder einem Mongolen, der beim Landungsversuch in Japan beteiligt war, aber die meisten Seeleute dürften die Wasserstraßender Rus‘ befahren. Daher verliert der Able Seaman das Student of Sailing für Athletics, derFirst Mate tauscht Student of Navigation mit Student of Rivers.

Sechserpasch: Sowohl in der Rus‘ als auch bei den Mongolen zählt der Fußsoldat nicht, die Elitekrieger reiten. Der Foot Soldier ist daher eher ein Plänkler oder Bandit, der sich keine Pferde leisten kann und bei dem sich entsprechend die Fertigkeiten ändern. Beim Foot
Soldier sinken daher Parry und Fight je von +2 auf +1, dafür kommt Expert: Handwerk/Land-/Forstwirtschaft +2 hinzu. Der Veteran Warrior erhält Run +2, Endurance +1, Fight +1, Parry +1; für den Front Line Fighter gibt es Fight +1, Endurance +1 + ED, Vigor +1, Parry +1, der Champion erhält den MD auf Endurance anstatt Fight.

Siebenerpasch: Der Gelehrte ist mit ziemlicher Sicherheit ein Mönch oder Kleriker, als Language kommen daher in erster Linie altkirchenslawisch und griechisch  (orthodoxe Kirche) oder Latein und griechisch (katholische Kirche) in Frage. Der Canny Sage kann auch zusätzliche Sprachen anstelle der Wissensfertigkeiten lernen, wenn er z.B. als Botschafter ausgesandt wurde, hingegen ist Student of Theology in jedem Fall Pflicht.

Achterpasch:
Berufsoffiziere gibt es nicht, auch wenn mongolische Krieger teilweise ähnliche Positionen einnehmen; stattdessen liegt auf dem Achterpasch der berittene Krieger. Bei mongolischen Squad Leadern geht Inspire verloren, dafür steigen Ride und Tactics auf jeweils +2, Rus‘sche Ritter haben es hingegen nicht so mit der Taktik, der Squad Leader verliert daher Taktics und steigert dafür Fights auf +2. Ansonsten sind die Änderungen identisch: aus Inspirewird Dodge, aus COMMAND +1 wird BODY +1. Der Officer wechselt von Tactics zu Ride +1 und Rapid Mount (1) vom The Horsewomen‘s Course, beim Commander fallen Strategy +2 und Lie +1 weg, dafür gibt es Status +1 und Noble Seat (2) vom The Horsewomen‘s Course. Der General hingegen unterscheidet sich wieder, bei den Mongolen ändert sich nichts, in der Rus‘ kriegt er nicht noch mehr Status, sondern Wealth +1 aus Kriegsbeute, aus dem Strategy +1 + ED wird zudem Fight +1 + ED. (Anstatt Fight zu nehmen können sie sich auch auf eine Waffe spezialisieren)

Neunerpasch: Es gibt in der Rus‘ keine Magie, daher fällt der Hexenmeister weg; seinen Platz nimmt der Seelsorger ein. 2×9: SENSE +1, Empathy +1, Language +2 (je 1 altkirchenslawisch und griechisch [orthodoxe Kirche] oder Latein und griechisch [katholische Kirche]), Intimidate +1. 3×9: Empathy +1, Intimidate +1, Inspire +1, Student of Theology +2. 4×9: Patron (2), Intimidate +1, Empathy +1 + ED. 5×9: Empathy MD.

Zehnerpasch:
Die Adeligen sind fast alle Ritter und kämpfen, von Klerikern und Mönchen einmal abgesehen. Der Noble Byblow verliert daher sein Graces +2, dafür gibt es Sword +2 (statt +1) und Ride +1. Der Minor Noble kennt sich mit Tactics anstelle von Lie aus, der Prominent Noble erhält nur Status +1, dafür aber auch Strategy +1. Jene Of Royal Blood sind keineswegs so einschüchternd, daher geht ihr Intimidate MD flöten, dafür gibt es Strategy +2 sowie Basic Mobility (1) und Bring Fear (2) aus The School of Perpetual Readiness.

[REIGN] Mongolische Charaktere

Zwar sind die Mongolen nicht gerade oft in der Rus‘ anzutreffen, aber dennoch spielen sie eine Rolle und sollten dementsprechend als Spielercharaktere zur Verfügung stehen. Hier daher die Ideen für mongolische Charaktere und Companies in der Rus‘. Oh, und natürlich eine Liste mit Mongolische Namen.

Ideen für mongolische Charaktere

  • Ein junger Krieger (womöglich ein Turk), der es sich mit seinen Vorgesetzten verscherzt hat und nun versucht, sich weit entfernt vom Hof emporzuarbeiten.
  • Jemand, den die Worte der christlichen Priester beeindruckten und der sich das ganze nun einmal „vor Ort“ ansehen möchte.
  • Ein Spion, der Leben, Handelsbeziehungen und Streitigkeiten in der Rus‘ auskundschaften und nach Serai melden soll.

Ideen für mongolische Companies

  • Eine Gruppe Händler wurden von hohen Würdenträger des mongolischen Hofs beauftragt, sich in den Handel zwischen Byzanz und Nordwesteuropa einzumischen, der derzeit von Bojaren beherrscht wird, und so Einnahmen in die Truhen der Khane umzuleiten, die ansonsten an örtliche Adelige oder den Statthalter gingen.
  • Jemand am Hof in Serail braucht Spione in der Rus‘ – sei es, weil er Verbündete für einen Zwist mit dem mongolischen Statthalter braucht, sei es, weil er seine Stellung am Hof durch genaue Informationen aus der Rus‘ festigen will. Aus diesem Grund schickt er einige vertrauenswürdige Mitglieder seines Gefolges „zur Unterstützung“ des Statthalters los.

Was mit den Mongolen so passieren kann

  • Sie könnten ihr Hauptheer losschicken, um unbotmäßige Fürsten ruhigzustellen.
  • Eine überraschende Tributforderung.
  • Eine „Einladung“ hoher Würdenträger an den Hof Batu Khans, von der bekannterweise nicht immer alle zurückkehren, lässt Hoffnungen und Ängste sprießen…

[REIGN] Batu Khan und die Goldene Horde

Von Sarai aus beherrscht die Goldene Horde unter Batu Khan weite Teil Osteuropas, unterwarf 1237 die Kumanen, 1237-1241 den größten Teil der Kiewer Rus‘, zwangen das Reich der Bulgaren zu Tributleistungen, und verheerte 1241/42 große Teile Polens und Ungarns, stößt dabei gar bis Wien und Brandenburg vor. Aufgrund des Todes von Dschinghis Khan und den folgenden Thronstreitigkeiten binden sie allerdings einen Großteil ihrer Macht im Inneren, verliert zudem ihren großen Strategen Subatai, der fortan in China kämpft.

Ziel: Den westlichen Teil der Welt für die Mongolen zu erobern

Might: 6 – Hervorragend ausgebildete und disziplinierte Reiterheere, verstärkt durch Hilfstruppen der unterworfenen Völker, unter fähigen Khanen stellen alle Gegner in offener Feldschlacht in den Schatten. Animositäten zwischen den einzelnen Khanen hindern sie aber daran, große Teile ihrer Macht längerfristig zu binden.

Treasure: 5 – Es fließen beständig Tribute und Beute in die Säcke der Khane, dazu kommen Einnahmen aus dem Handel; allerdings kostet die Aufsicht und die gigantische Armee auch Unsummen.

Influence: 3 – Zwar ist ihre militärische Macht enorm, aber ihr Reich ist zu vielfältig und zu langgezogen, um jederzeit über alles informiert zu sein.

Territory: 5 – Die Tataren beherrschen ein riesiges Reich, in dem sich fast alles finden lässt, aber leider sind ihre Statthalter auch immer am eigenen Wohlergehen interessiert.

Sovereignity: 2 – Die meisten unterworfenen Völker warten nur auf ein Zeichen der Schwäche, um das Joch abzuschütteln, in der Zwischenzeit nutzen sie die mongolischen Statthalter für ihre eigenen, innenpolitischen Ziele. Wenn, dann unterstützen sie ihre Herrscher unter Zwang oder aus Eigennutz, aber nicht aus Loyalität.

Literaturempfehlungen:
Medina Mamleew: Witz und Weisheit der Tataren
Charles J. Halperin: Russia and the Golden Horde: The Mongol Impact on Medieval Russian History
Erika Taube: Volksmärchen der Mongolen

[REIGN] Spieler und Lenker der Rus‘

In der Rus‘ waren viele Gruppen aus aller Welt vertreten, hier einmal eine kleine Übersicht. Natürlich haben nicht alle dieser Gruppen mit voller Macht mitgewirkt, einige hatten nur sehr entfernte Verbindungen und konnten höchstens indirekt Macht ausüben, aber in irgendeiner Weise waren sie alle im Gebiet vertreten und nahmen regen Anteil an den dortige Intrigen.

  • Die Goldene Horde unter Batu Khan
  • Der Statthalter der Goldenen Horde in der Rus‘
  • Der Papst und die römisch-katholische Kirche
  • Der Patriarch von Konstantinopel und die griechisch-orthodoxe Kirche
  • Der Kiewer Metropolit der griechisch-orthodoxen Kirche
  • Der Basileus in Konstantinopel
  • Der Kaiser im Heiligen Römischen Reich
  • Béla IV. und Stephan V. als Könige von Ungarn
  • Alexander Newski und die Bürgerschaft von Nowgorod
  • Daniil und Vasilko Romanovic als Herrscher Galiziens und Lodomeriens
  • Die Fürsten der Weißen Rus, Schwarzen Rus und Roten Rus
  • Die aufstrebenden Moskowiter, Twerner und Rjasaner
  • Der Deutschritterorden
  • Die Herzöge von Kleinpolen, Großpolen, Pommern, Pommerellen, Schlesien und Masowien
  • Die Přemysliden als Herrscher von Böhmen und Mähren
  • Die Litauer unter Mindaugas
  • Die örtlichen Bojaren (Rus‘) und Woiwoden (Polen)
  • Händler, Söldner und Glücksritter aus einem Umkreis von Schweden im Norden,

Free Rainer – Dein Fernseher lügt

Was könnte man aus diesem Filmnicht alles machen: Einen Thriller. Eine Komödie. Einen politischen Film. Vielleicht sogar zwei der Dinge miteinander mischen. Voller Vorfreude ging ich mit einer Bekannten ins Kino.

Der Film begann mit einer überzogenen Szene, in der ein überdrehter Rainer mit überhöhter Geschwindigkeit am Steuer kokst und dabei einen Unfall baut und anschließend seinen eigenen Wagen zertrümmert, um die Unfallgegner einzuschüchtern. Dieser Level an Absurdität hält noch eine Zeit lang an, bis zu zwei Mordanschlägen auf Rainer von einer jungen Frau, deren Vater er durch falsche Anschuldigungen in den Selbstmord getrieben hatte. OK, für eine Komödie ein guter Anfang – nur müsste es dann so langsam lustig werden. Wurde es leider nicht, stattdessen wurde Pathos aufgetragen.

Im Krankenhaus erfährt Rainer vom Motiv der jungen Frau und wird erleuchtet, fortan will er nicht mehr dreckigen Pseudojournalismus machen, sondern die Welt mit Weisheit erfüllen! Gleich macht er sich an eine anspruchsvolle Doku, die allerdings miese Quoten liefert. Er spricht die Frau an, die ihn überzeugt, daß die Quoten manipuliert werden, und gemeinsam schmieden sie einen Plan, um dieses finstere Komplott aufzudecken. Sie machen sich auf zur Quotenmesszentrale, wo sie beinahe beim Diebstahl des Messgeräts erwischt werden. Zum Glück ist der Wachmann ein Verschwörungstheoretiker, der sich ihrer Mission anschließt. Gemeinsam testen sie die Quotenmessung und stellen fest, daß die Quote stimmt. (So viel zum Thema „Fiese Verdummungsverschwörung per TV“)

Natürlich lässt sich die Avantgarde der Weltrevolution nicht von solch einer Kleinigkeit aufhalten. Wenn die Quote stimmt, dann müssen eindeutig die Menschen durch eine fiese Verschwörung dazu gebracht worden sein, Schund zu mögen. Flugs hecken unsere selbsternannten Weltretter einen Plan aus, um das Niveau des Fernsehens zu erhöhen. Zu diesem Zweck wollen sie die Quotenmessgeräte austauschen und ihrerseits die Quote zugunsten hochwertiger Sendungen manipulieren. Da sie das alleine nicht schaffen, heuern sie ein paar unfähige (wenn auch mehr oder weniger liebenswerte) Langzeitarbeitslose an, die sich als Handwerker ausgeben sollen, um die Boxen auszutauschen. Die versagen natürlich kläglich, was unsere Helden beinahe ruiniert. Einer ihrer Handlanger ist Alkoholiker, betrinkt sich zwischendurch und nagelt eine Telefonzelle um. Dummerweise wird er erwischt und ins Kittchen gesteckt. Nun durchlebt Rainer seine Passionszeit: Anstatt, wie in der bürgerlichen Gesellschaft üblich, für eigenes Verschulden geradezustehen, soll er den Alki für sein letztes Geld auslösen. Zunächst weigert er sich, wird dafür aber vom Rest der Truppe boykottiert. Er muss lernen: Um den Endsieg zu erreichen, sind alle Mittel recht. Die Revolutionäre machen keine Fehler, alles was so scheint, ist bloß Überbleibsel gestrigen Denkens.

Jetzt wird es allerdings richtig albern: Anstatt wegen Geldsorgen den Plan in die Tonne zu treten, fällt dem Alki (ehemaliger Telekomtechniker) ein, daß man einfach die Datenleitung, mit der die Quoten übertragen werden, anzapfen kann. (Warum er da nicht schon früher darauf kam, ist nicht so ganz klar; ich vermute, die Deus-Ex-Machina steckt dahinter) Nach all diesem Rhabarber schaffen sie es also, hochwertige Dokus hochzujubeln und Schundsendungen niederzustimmen.

Die Auswirkungen sind enorm: Von ihrer Verblendung befreit, schalten die Leute ihren Fernseher aus und lesen! Im Freien! Literatur!

Gut, es wird nicht so ganz klar, warum sie hochwertiger Literatur anstatt eines Groschenromans lesen oder nicht einfach eine Spielkonsole anschmeißen, aber im Vergleich zu den bisherigen Löchern fällt das kaum noch ins Gewicht. Lustigerweise bestätigt es auch gleichzeitig, daß die Quote stimmte – die Leute wollten Schund sehen. Wenn der wegbricht, machen sie lieber was anderes.

Selbstverständlich muss das Imperium vor dem Happy End noch zurückschlagen. Tut es auch, denn Rainers ehemaliger Chef findet unsere Verschwörer und versucht, sie zu erpressen, um die eigene Quote zu verbessern. Natürlich beißt er hierbei auf Granit, unsere Helden fliehen lieber, anstatt sich für seine dunklen Machenschaften einspannen zu lassen. Versteckt in einer Höhle Ferienwohnung trauern sie um ihren Fehlschlag, erfahren dann aber zu ihrer Freude, daß ihr Plan erfolgreich war: Die von ihnen manipulierten Quoten haben sich etabliert!

Erfreut über das erfolgreiche Gefecht machen sich unsere Revolutionäre gleich zum nächsten Ziel auf: Das Einkaufsverhalten der Menschen zu retten und sie vor der Beeinflussung durch die Werbung zu retten.

Abgesehen davon, daß die „Helden“des Film ständig genau das taten, was sie den „Schurken“ vorwarfen, nämlich die Menschen nach ihren Vorstellungen zu steuern (nur uneigennützig zu deren eigenen Vorteil, natürlich), ist dies ein mieserables Remake der „Hurra“-Parolen totalitärer Regime –der Film könnte eine Verfilmung von Lenins Vorstellungen über den idealen Übergang zum Kommunismus sein: Die Avantgarde der Weltrevolution bereitet den Boden, damit das Proletariat, der ungebildete Pöbel, seine Bestimmung erreichen kann. Nix mit Selbstbestimmung und Individualität, Fremdbestimmung und Konformismus pur.

Im Vergleich zu diesem Film hat „Stirb Langsam 4“ gesellschaftskritischen Tiefgang, denn da gibt es wenigstens einen Satz, der vor entsprechendem Vorgehen warnt: „It‘s not a system [that can be simply rebooted freshly], it‘s a country, a country full of people who are home, scared.“

Fazit: Dieser Film war einfach nur schlecht und langweilig, das Eintrittsgeld zu verbrennen hätte mehr Unterhaltung gespendet.

Weltenbuchgerüchteküche

Für gewöhnlich gut informierte Quellen ließen verlauten, daß das Weltenbuch
sich der Drucklegung nähert. Angeblich gibt es sogar schon erste Entwürfe des Titelbilds. Wenn alles klappt, sollen wir uns im Laufe dieses Sommers mit einem schmackhaften Yetieis erfrischen können – vorausgesetzt, Fehlerteufel und Radiergummi legen dem Projekt keine Steine in den Weg.

Warum die Kiewer Rus’?

Der Artikel zur Rus’ wurde ja tatsächlich außerhalb dieses Blogs diskutiert (was mich verwundert), und dabei auch gleich madig gemacht (was mich weniger verwundert). Trotzdem will ich hier kurz diejenigen Punkte aufzählen, welche die Rus’ meiner Meinung nach zu einem sehr brauchbaren Setting machen. Es ist nicht das einzige brauchbare Setting, es ist vermutlich auch nicht das bestmögliche Setting, aber es dürfte auf jeden Fall eine angenehme Abwandlung der üblichen Hintergrundwelten sein, ohne gleich ganz abgefahren zu wirken.

  • Es gibt viele historische Beispiele für solche Situationen.Natürlich gibt es die, Konflikte gab es immer und überall auf der Welt. Aber Europa nach dem Fall Roms war in erster Linie in sich gekehrt, es gab keine Großmächte, die Einfluß darauf nahmen – die bildeten sich dann nach und nach im Inneren Europas. Im Interregnum war das Reich auch in erster Linie mit sich beschäftigt, in sich zerstritten und wählte schwache Könige von außen; ausländische Mächte haben sich hingegen kaum engagiert, sondern die Zeit genutzt, um sich selbst zu festigen. Im Heiligen Römischen Reich des 16. Jhd. war Herrschaft schon stark institutionalisiert, Konflikte eher eindimensional – für militärische Kampagnen toll, für REIGN’sches Intrigenspiel weniger, es sei denn, man will sich in Hinsicht auf die Akteure stark einschränken. Hingegen sind auf der Rus’ neben den Konfliktparteien in jenen Beispielen auch alle damaligen Großmächte (Papst, Römischer Kaiser, der Patriarch von Konstantinopel, Griechischer Basileus und die Mongolen) beteiligt, die alle irgendwie mit- und gegeneinander arbeiten und die kleineren Herrscher und Kriegsherren nicht nur für ihre Zwecke nutzen, sondern teilweise auch benutzt werden.
  • Noch weniger als Mittelerde und das ist schon voll daneben.Mittelerde ist im Grunde eine dualistische Welt, Gut gegen Böse, Gandalf gegen Sauron, Gondor gegen Mordor. Damit eignet sich natürlich nicht besonders für REIGN, da es fast unmöglich ist, Bündnisse außerhalb des eigenen Lagers zu schließen. Dieses Problem besteht bei der Kiewer Rus’ nicht, die Konflikte dort sind multipolar – selbst verbündete Herrscher kämpfen munter gegeneinander, im Grunde kann jeder mit jedem. Abgesehen davon wird Mittelerde stärker von Personen als von kleinen Gruppen („Companys“) getragen, in der Rus’ ist es vergleichsweise normal, daß kleine Gruppen neu auftauchen und munter mitmischen. Daniils Mutter wurde z.B. von einem eher kleinen Bojaren vertrieben, dessen Aufstieg und Fall beinahe eine REIGN-Kampagne sein könnten.
  • Liegt vor allem daran, dass es [gemeint ist das Standardsetting] sich um einen Rollenspiel-Hintergrund handelt.Interessantes Argument, wird nur leider von dutzenden einfallslosen und langweiligen Rollenspielhintergründen widerlegt, die so herumkrauchen. Um ehrlich zu sein finde ich das Standardsetting von REIGN sogar ziemlich schlecht und streckenweise unlogisch.
  • Kiewer Rus ist beispielsweise wahrscheinlich ein Setting, das man in der Ukraine besser verkaufen könnte als hier,Halte ich für äußerst unwahrscheinlich, da das Thema in der Ukraine viel zu emotional aufgeladen ist. Dort könnten die Punkte, welche die Gegend für REIGN interessant machen, kaum genutzt werden, im Gegensatz sogar zu Streit am Spieltisch führen. Bis heute streiten sich die Ukraine und Rußland darum, wer denn nun der wahre Nachfolger der Rus’ sei, eine politsch stark aufgeladene Diskussion. Zudem sind die Unterschiede zu Westeuropa auch nicht so groß – es gibt sehr viele Anknüpfungspunkte. Jemand, der sich zutraut, Irland oder Mittelerde als Setting zu nutzen, kommt auch mit der Rus’ klar. Der Grund hierfür ist in erster Linie die galizisch-volhynische Chronik, die von einem katholischen Kleriker verfasst wurde, der diese Übertragung bereits für uns vorgenommen hat, aber auch, daß die Kiewer Rus’ vergleichsweise gute Verbindungen nach Westeuropa hatte. Talisanta ist wesentlich exotischer als die Rus’, zumindest unter Mongolen, römisch-katholischer und griechisch-orthodoxer Kirche sollte sich jeder was vorstellen können.

Rus’ für REIGN

Gestern abend ist mir beim Grübeln eingefallen, daß die Kiewer Rus’ eigentlich ein ziemlich toller Hintergrund für REIGN wäre: Ein Reich, daß formal vom Kiewer „Velikiy knyaz“ (Großfürst) als „Erstem unter Gleichen“ beherrscht wird, in dem aber de facto alle „knyaz“ (Fürsten) darum streiten, selbst Herrscher Kiews zu werden und gleichzeitig versuchen, von fremden Mächten als unabhängig anerkannt zu werden. Jeder Fürst, jeder Bojar hat seine Drużyna, sein bewaffnetes Gefolge. Gleichzeitig stehen die Mongolen vor der Tür, beziehungsweise haben sie schon durchschritten und ihre Statthalter vor Ort gelassen.

Um das Ganze noch etwas spannender zu gestalten, sind die Fürsten natürlich alle direkt miteinander verwandt, haben alle einen gemeinsamen Urahn, der daß Senioriatsprinzip eingeführt hat, wonach immer der Älteste seiner Nachfahren von Kiew aus über die Rus’ herrschen soll. Deutschritter, Litauer, Polen und Ungarn die teilweise Ansprüche auf Teile der Rus’ erheben. Bojaren, Fürsten und der Kaiser in Byzanz (und in seinem Gefolge die griechisch-orthodoxe Geistlichkeit), die mit Verrat und Intrigen um Einfluß und Macht in der Rus’ ringen.

Man ergänze den Fürsten Halič-Volyns (Galizien und Lodomerien), Daniil Romanovič, dessen Mutter mit ihm als kleinem Kind vor einem Umsturz nach Ungarn flüchtete, wo er in einem katholischen Umfeld griechisch-orthodox erzogen wurde, während sein jüngerer Bruder Vasilko unter der Obhut des Hofkaplans in Polen aufwuchst. Später eroberten die beiden Brüder das Reich ihres Vaters zurück, welches sie auch gemeinsam verwalteten. Als Antwort auf den Mongolenstum sucht er ein Bündnis mit dem Papst, welches aber letzlich sowohl am inneren Widerstand seiner Bojaren als auch an der Wankelmütigkeit der katholischen Herrscher scheitert. Zwar muß er sich der mongolischen Hauptmacht beugen, legt sich aber immer wieder erfolgreich mit ihren Statthaltern an.

Mithin: Machtkampf, Intrigen, und viele unterschiedliche Beteiligte. Was will man mehr?

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen?

Zumindest habe ich gelegentlich diesen Eindruck, wenn ich Charaktere fürs Rollenspiel erstellen. In vielen Rollenspielen dauert die Charaktererschaffung Stunden, beinhaltet viel gerechne und geplane, herumgesuche und abgestimme – und meisten keinerlei Interaktion zwischen den Spielern. Besonders viel Spaß macht es meistens auch nicht. Wenn man bedenkt, daß die meisten Regelwerke mit der Charaktererschaffung beginnen, ist das ein ziemlich abschreckender Einstieg. Muß das so sein?

Vergleichen wir einfach mal Basic Fantasy RPG, D&D 3rd Ed., Earthdawn, RuneQuest, GURPS und The Burning Wheel in dieser Hinsicht.

Basic Fantasy RPG ist ein D&D-Klon, allerdings der frühen Versionen aus der Prä-AD&D-Zeit. Hier gibt es das Problem der langwierigen Charaktererschaffung nicht, weil es kaum Wahlmöglichkeiten gibt: Man würfelt, erhält 6 Attribute, sucht sich eine von 4 Klassen aus, würfelt die Trefferpunkte aus, Diebe schreiben die Diebesfertigkeiten ab, Magier suchen sich 1 Zauber aus – Namen aufschreiben, fertig! Der Nachteil ist natürlich, daß es regeltechnisch praktisch keine Unterschiede zwischen verschiedenen Charakteren gibt, aber dafür kann man auch nahezu sofort zu spielen beginnen.

D&D 3rd Ed. ist das Original selbst, kein Klon. Die Charaktererschaffung ist, im Gegensatz zum Original allerdings äußerst langwierig: Man muss nicht nur die Fertigkeiten für die erste Stufe auswählen, sondern den Charakter möglichst gleich bis zur 20. Stufe durchplanen. Aufgrund der Abhängigkeiten diverser Punkte voneinander und der Tatsache, daß sie sich gegenseitig beeinflussen, ist dies bei (allein im Grundregelwerk) 7 Rassen, 11 Klassen und 15 Prestigeklassen, 36 Fertigkeiten und an die 70 Talenten bereits ein ziemlicher Aufwand. Allerdings passt dieses Vorgehen auch hier zum Spielstil; einen möglichst guten Charakter zu erstellen ist Teil des Reizes, der von diesem Spiel ausgeht. Die Abenteuer sind hier in erster Linie ein Test, wie gut der eigene Charakter gebaut ist. Dennoch, der Einstieg ist zäh und häufig frustrierend.

Earthdawn hat zwar ebenfalls 15 Klassen und 7 Rassen, diese beeinflussen sich aber kaum gegenseitig, weshalb dieser Punkt recht schnell abgehandelt sein könnte – wenn, ja wenn, die Ermittlung der einzelnen Wert nicht derart konfus und die erforderlichen Kapitel so unübersichtlich wären. Dazu kommt, daß man bei der Wahl der Attribute möglichst optimieren sollte, da die Steigerungsmöglichkeiten a) begrenzt sind und b) aufgrund der Umwandlung in Stufen teilweise keine (oder höchstens sehr geringe) Wirkung haben. Dazu kommen die krummen Kosten der Attribute. Hier verliert man schnell eine ¾-Stunde und die Lust, weiterzumachen.

GURPS hat einen ganz anderen Ansatz als die beiden bisher vorgestellten Spiele, indem es auf Klassen verzichtet und stattdessen dem Spieler die Möglichkeit bietet, seinen Charakter en detail zusammenzustellen. Auch hier ist eine gewisse Optimierung erforderlich, anders als bei Earthdawn fällt aber die Orientierungshilfe der Disziplinen weg. Aufgrund des puren Umfangs und der vielen Möglichkeiten ist ein Einsteiger längere Zeit damit beschäftigt, sich den Charakter zusammenzubasteln, den er gerne spielen möchte – um dann im Endeffekt doch Einschränkungen hinnehmen zu müssen, im Grunde braucht man einen Spielabend, nur um Charaktere zu erstellen.

RuneQuest benutzt einen Lifepath – die Spieler wählen nicht selbst, welche Fähigkeiten sie haben, sondern würfeln ihre Herkunft und Fertigkeiten aus. Dies dauert zwar länger als bei BFRPG, da wesentlich mehr Daten ermittelt werden müssen, lässt aber auch Charaktere mit größeren Unterschieden zu. Dies funktioniert allerdings nur, wenn man wirklich alles auswürfelt, was nicht jedermanns Sache ist, da es den Einfluß des Spielers auf das Wesen seines Charakters stark einschränkt.

The Burning Wheel ist insoweit eine Ausnahme in diesem Feld, als daß es ein 300-seitiges Buch nur für die Charaktererschaffung hat. Um ehrlich zu sein, vereint dieses Spiel die Nachteile der Charaktererschaffung von GURPS und D&D 3rd Ed. in sich – zum einen muss ich mich an einem Lifepath entlanghangeln, zum anderen aber ein vorher erdachtes Konzept zusammenstellen. Und während im Vorwort erwähnt wird, man würde Charaktere gemeinsam erstellen, kommt es am Ende doch darauf hinaus, daß dies überhaupt keinen Unterschied macht. Es funktioniert genauso wie bei den beiden anderen Spielen, nur noch komplizierter.

Es scheint also so, als müsse man abwägen: Entweder, der Spieler hat Einfluß auf die Persönlichkeit seines Charakters und diese spiegelt sich in den Regeln wieder, oder die Charaktererschaffung geht schnell vonstatten. In jedem Fall aber ist die Charaktererschaffung dröge und es kommt bloß darauf an, wie lange diese einschläfernde Einzelbeschäftigung dauert.

Daß dem nicht so ist, zeigt Spirit of the Century. Dort erfolgt die Charaktererschaffung nicht nur gemeinsam, sondern ist alleine gar nicht möglich. Zu allem Überfluß haben die Autoren sogar eine zweiter Methode eingebaut, mit der man seinen Charakter im Lauf des ersten Abenteuers erstellen kann! Und obwohl die langweiligen Elemente des „nützliche und passende Fertigkeiten aussuchen“ immer noch enthalten sind, werden sie so geschickt verteilt, daß man es a) gemeinsam und b) mit Spaß macht.

Ich denke, das sollten sich alle Rollenspielautoren und -theoretiker zu Herzen nehmen und in dieser Hinsicht weiterforschen, denn hier liegt noch viel Entwicklung brach. Die Charaktererschaffung ist der Einstieg für alle, die sich das Buch direkt kaufen und dürfte damit auch darüber entscheiden, ob ein Spiel gespielt oder frustriert in die Ecke geworfen wird.