Archiv für den Monat: Juli 2013

Settingidee: Neue Welt, altes Übel

In Deutschland gibt es ja lediglich ein einziges Spiel, was sich auf die Wurzeln des alten D&D bezieht: Herr der Labyrinthe. Der bisher einzige Versuch, ein deutschsprachiges Setting für die Regeln zu entwickeln, verlief im Sande; zu Wyrdwall hat sich seit 2011 nichts mehr getan.

Im #tanelorn kam nun die Idee auf, einen neuen Anlauf zu wagen. Evil_bibu stieß eine Ideensammlung an, bei der Tarin und ich teilnahmen. Bisher fehlt zwar noch ein griffiger Titel, als Arbeitstitel gibt es erstmal „Neue Welt, altes Übel“.

Hier nun der bisherige Stand der Überlegungen:

Beim Setting handelt es sich um einen neu entdeckten Kontinent, den die klassischen Fantasyrassen (Menschen, Elfen, Zwerge) gerade entdeckt haben. Im Augenblick wetteifern sie darum, den Kontinent zu erforschen und in ihre Einflußsphären einzugliedern.

Auf den Kontinent gab es früher Hochkulturen, die aber bereits vor Ankunft der Entdecker untergegangen sind. Heute künden nur noch Ruinen, uralte Statuen und Ritualplätze von ihrer Anwesenheit.

Dabei handelt es sich um folgende Kulturen:

Die Republik der Duergar

Zerfiel in einem Bürgerkrieg zwischen dämonenanbetenden Duergar und traditionellen Zwergen. Wenige traditionelle Zwerge halten sich bis heute in vereinzelten gut gesicherten Minen, in die sie sich vor den Dämonen und Monstern flüchteten. Die herrschenden Duergar zogen sich in besonders geschützte Zitadellen tief unter der Erde zurück, nachdem sie die Kontrolle über die beschworenen Wesen verloren, die sie im Bürgerkrieg zu Hilfe riefen. Der größte Teil der Zwerge verwilderte und lebt heute oberirdisch. Man erkennt sie schon von weitem an ihrem bunt gefärbten Irokesenhaarschnitt. Sie trauern ihrem verlorenen Reich nach und bekämpfen daher Trolle, Riesen und Dämonen bis aufs Blut.

Der Imperium der Drow

Lange Zeit beherrschten die Drow und hielten die restlichen Elfen als Sklaven. Sie züchteten die Orks und Sahuagin aus ihren Sklaven, um sie als Söldner gegen ihre Feinde einzusetzen. Sklavenaufstände, Bruderkämpfe und Dürren zehrten das Reich so stark aus, dass die Städte heute größtenteils unbewohnt sind. Die wenigen verbliebenen Bewohner verfügen zwar immer noch über eine gewisse Magie, aber ihnen fehlt die wirtschaftliche und militärische Macht, um das Umland zu beherrschen. Der Kontakt zwischen den Städten brach größtenteils ab, lediglich in Ausnahmefällen wird der Bund angerufen und erweist sich selbst dann zumeist als handlungsunfähig. Ständige Machtkämpfe um die verbliebenen Tempel verschlimmern die Situation beständig. Die ehemaligen Sklavenelfen flüchteten größtenteils und leben heute als Nomaden im Regenwald.

Das Unterwasserreich der Locathah

Hatte das große Pech, während eines ausgedehnten Krieges gegen den Städtebund der Drow einem unterseeischen Vulkanausbruch zum Opfer zu fallen, der die meisten großen Städte und die reichsten Regionen vernichtete. Heute ist von ihrem ehemals stolzen Reich lediglich eine einzige, schwer befestigte Unterwasserstadt übrig. Der Rest wurde von Meerelfen, Seemännern, Sahuagin und Unterwassermonstern überrannt, die bis heute den letzten Vorposten der Unterwasserzivilisation bestürmen.

Katastrophen mit vielen Facetten

Das Thema des diesmonatigen Rollenspielkarnevals lautet Ausgepresst. Ich werde daher in meinem Beitrag das Buch »Warum Gesellschaften überleben oder untergehen« ausschlachten, in dem es darum geht, wie sich eine »ausgequetschte« Umwelt auf soziale Verbände auswirkt. Ich denke, dieses Buch eignet sich gut fürs Rollenspiel, weil es die entsprechenden Beschreibungen auf rollenspieltaugliche Länge zusammenkürzt, dabei aber ermöglicht, dem zentralen Konflikt einer Kampagne zusätzliche Facetten zu verpassen (und so mehr Lösungen zu ermöglichen).

Der Autor fasst Umwelt dabei relativ weiträumig, sie schließt nicht nur die natürliche Umwelt ein, sondern auch die soziale Umwelt. Insgesamt nennt er fünf Faktoren für den Untergang von Zivilisationen:

  1. Umweltzerstörung
    Wie widerstandsfähig bzw. empfindlich reagiert eine Umwelt auf menschliche Eingriffe? Wie schnell wachsen Bäume nach, wie stark erodiert der Boden, wie viele alternative Nahrungsmittel stehen zur Verfügung?
  2. Klimawandel
    Welchen natürlichen Schwankungen unterliegt das Klima? Hierzu gehören unter anderem Dürren, Fluten und Kälteeinbrüche.
  3. Nachbarstreit
    Wie stark bedrohen Nachbarn die Zivilisation und wie viele Ressourcen binden sie?
  4. Nachbarschaftshilfe
    In welchem Umfang handelt die Zivilisation mit ihren Nachbarn und welche Ressourcen werden dadurch freigesetzt?
  5. Gesellschaftliche Reaktionen auf Veränderungen
    Wie geht eine Gesellschaft mit Veränderungen um?

Wieso ist das jetzt für das Rollenspiel interessant? Nun, das Buch zeigt diverse historische Gesellschaften, die unter starkem Druck standen und schwierige Konflikte bewältigen mussten. Die einzelnen Konflikte eignen sich mehr oder weniger gut für die direkte Übernahme ins Rollenspiel. Ein Klimawandel (Dürren, Überschwemmungen usw.) eignet sich in gängigen Fantasywelten eher als Treibstoff für andere Konflikte, lediglich in stark mythologisch angehauchten Welten wie Glorantha oder jender der Zeichentrickserie Kassai und Leuk wäre es möglich, direkt etwas gegen ihn zu unternehmen.

Die Punkte 1, 3, 4 und 5 hingegen beruhen allesamt auf menschlichem Handeln und lassen sich daher durch menschliche Entscheidungen beeinflussen. Damit bieten sie sich auch als zusätzliche Ebenen eines Konflikts für eine Kampagne an (und können eine mythologische Kampagne unterfüttern).

Die fünf Punkte haben aber auch für den Verlauf einer Kampagne Vorteile. Wenn man Ihre Auswirkungen bedenkt, ist es wesentlich einfacher, gesellschaftliche Veränderungen aufgrund großer Konflikte einzubauen. Selbst wenn man eine klassische Invasion der Orks spielt, kann man die Ratschläge aus dem Buch nutzen, um die Gesellschaft durch den Konflikt zu verändern, anstatt nur den Status quo ante wiederherzustellen: Aufgrund der ständigen Gefahr durch Orkangriffe halten die Bewohner eher Vieh anstatt Getreide zu züchten, weil man das Vieh auf der Flucht mitnehmen kann, während das Getreide auf den Feldern brennt.

Hier jetzt ein Beispiel für eine Kampagne, die das Thema aufgreift.

Thema der Kampagne ist der Abwehrkampf einer seßhaften Zivilisation gegen Nomaden. Die Spieler können grundsätzlich auf beiden Seiten stehen, sie sollten aber einen vergleichsweise hohen Status haben oder erringen können, damit sie ausreichend großen Einfluss ausüben können.

Die Nomaden mussten ihre bisherigen Weidegründe ausgeben, da eine Dürre die Erosion verstärkt hat und das Gras nun nicht mehr schnell genug nachwächst, um ihre Herden zu ernähren. Die seßhafte Zivilisation wiederum muss einem mächtigeren Reich Tribut zahlen, indem es jedes Jahr eine bestimmte Menge Getreide liefert. Die Überfälle der Nomaden verringern die Ernte, es drohen also Hunger oder Vergeltungsmaßnahmen der mächtigeren Nation.

Hier kann die seßhafte Zivilisation nun auf mehrere Weisen reagieren. Wenn die Zentralregierung nicht eingreift, werden die Bauern vermutlich flüchten oder den Boden ausbeuten. Dies würde über kurz oder lang zu ihrem Untergang führen, spätestens wenn die Ernten auf den ausgelaugten Böden weiter sinken, werden die Nomaden das Reich überrennen. Geschickter wäre es vermutlich, wenn die seßhafte Zivilisation entweder einen Modus Vivendi mit den Nomaden findet, sie auf die mächtigere Nation lenkt oder auf sonstige Weise neutralisiert.

Im Gegensatz zu einer klassischen Kampagne, in der einfach die Bösen einbrechen, stehen also viel mehr Handlungsoptionen offen: Mit Menschen kann man verhandeln, gegen Menschen kann man kämpfen, Menschen kann man verändern. Das Böse kann man nur in einer apokalyptischen Entscheidungsschlacht zurückwerfen.

Ansonsten könnte die Kampagne dabei nach dem klassischen Schema ablaufen: Ein abgelegenes Dorf wird bedroht, die SC finden heraus, worin die Bedrohung besteht und suchen nach einer Möglichkeit, ihr zu begegnen. Im Gegensatz zur klassischen Fantasy-Kampagne besteht die Lösung hier aber nicht in einem magischen Artefakt, das die Heerscharen des Bösen vernichtet, sondern in politischen Verhandlungen bzw. (bei einer mythische Kampagne) einer Befriedung der verärgerten Wettergötter.

Zumindest mich hat das Buch für eine politische Kampagne inspiriert, die einmal auf einer anderen Zeitskala abläuft als meine gewöhnlichen Kampagnen.