Archiv für den Monat: Mai 2008

[Rezension] Spirit of the Season

Evil Hat und Atomic Sock Monkey Press haben zu Weihnachten „Spirit of the Seasons“ veröffentlicht, ein dünnes Büchlein mit weihnachtsbezogenen Helden und Schurken für ihre Rollenspiele „Spirit of the Century“ und „Truth & Justice“. Als Bestandteil des Buches wurden verbesserte Regeln für Companions und Magie für SotC angekündigt, weshalb ich es mir auch prompt bestellt habe. Ich muss gleich sagen, daß ich nach dem Lesen recht enttäuscht war.

Zunächst aber zu den Grundlagen: Spirit of the Seasons kostet 12 US-$ (10,50 €), dafür bekommt man ein 80 Seiten dünnes Heft mit farbigem Umschlag und schwarz-weißem Innenteil. Davon enthalten 68 Seiten tatsächlich Zusätze für SotC und T&J, den Rest füllen 1 Seite OGL, 1 Seite Inhaltsverzeichnis, 1 Seite Innentitel, 2 Seiten Kurzvorstellung, 2 Seiten für eine Fudgewürfel-Christbaumkugel zum Selberbauen und 3 Seiten Werbung. (Werbung, leere Füllseiten am Ende und die Fudgewürfel-Christbaumkugel sind übrigens äußerst dämlich angeordnet, da der Teil, den man ausschneiden müsste, direkt am Inhalt klebt, anstatt an einer Füll- oder Werbeseite)

Den größten Teil des Inhalts machen die neuen Helden und Schurken aus, von denen die meisten ½ bis 1 Seite Beschreibung und 1½ bis 2 Seiten Regelblöcke erhalten. Die Beschreibung ist in den meisten Fällen ganz in Ordnung; die Einträge sind aber äußerst unübersichtlich, da jeder Eintrag praktisch drei Überschriften hat (einmal für die Beschreibung, einmal für die SotC-Regeln und einmal für die T&J-Regeln). Schlimmer wird es noch dadurch, daß mitten in den Beschreibungen der Charaktere plötzlich Zusatzregeln für SotC auftauchen – die sind nicht etwa an einer Stelle zentral gesammelt, nein, sie stehen immer beim ersten Charakter, der sie braucht, auch, wenn mehrere Charaktere auf sie zugreifen. Damit geht die Abgrenzung der verschiedenen Charaktere voneinander teilweise flöten.

Außerdem sind die Charaktere größtenteils unvollständig, bei fast allen SotC-Einträgen finden sich die Worte „…und vier weitere Aspekte“, zudem sind die vorhandenen Aspekte auch nicht beschrieben, sondern werden einfach nur so in den Raum geworfen. Für ein Spiel, bei dem Aspekte der Dreh- und Angelpunkt sind, ist das eher beschämend.

Zumindest sind die vorgestellten Figuren größtenteils amüsant, passen aber leider nur halb zum Thema: Die Chanukkas und ihre Gegenspieler wurden leider überhaupt nicht (z.B. über Weihnukka) mit Nick Saint und seinen Reindeermen verbunden. So arbeiten sie halt zusammen, weil sie beide zu den Guten gehören.

Die Abenteuerideen zum Abschluß reißen auch nichts mehr, sie sind sehr oberflächlich, nicht besonders kreativ und es gibt auch hier wieder keine vorbereiteten Szenen mit Aspekten, die eigentliche Arbeit bleibt also am SL hängen.

Insgesamt ist das Büchlein enttäuschend, als billige Weihnachtsbeilige wäre es noch durchgegangen, aber als eigenständiges Werk floppt es.

[REIGN] Ungewöhnliche Ereignisse

Zur One-Roll-Charaktererschaffung gehören ja nicht nur die normalen Laufbahnen, sondern auch unvorhergesehene Ereignisse. Auch hier ist REIGN wieder ein wenig zu fantastisch und modern für die Rus‘, doch mit ein paar kleineren Änderungen lässt sich auch dies umstellen.

Chart A

  1. Verbannt: Du hast dich mit deiner Familie (Stamm/Sippe/Gilde/Stadt) überworfen und konntest deinen erzürnten Angehörigen nur mit viel Glück entkommen. Plead+3, Dodge +1, Run +1.
  2. Robbed! – bleibt
  3. Geisel – du bist eine Zeit lang als Geisel gehalten worden,  dabei hast du unbemerkt ein Geheimnis deines Geiselnehmers aufgeschnappt. Plead +2, Secret +1 , Lie +2
  4. Leisetreter: Du standest im Dienst bei einem Herrn, der von  dir verlangte, unsichtbar wie ein Heinzelmännchen zu agieren. Graces +1, Stealth +4
  5. Königlicher Zureiter – Du hast die Pferde eines sehr berühmten Reiters abgerichtet, Ride +4+ED
  6. Hofnarr – Du entstammst einer Familie von Hofnarren oder warst mit dem örtlichen Hofnarren gut befreundet und hast von ihm  einige Tricks des Geschäfts gelernt. Jest +2, „Surely I Jest“ aus dem „The Jesters Course“, Dodge +1, Plead +1
  7. Rescued an Injured Animal – bleibt
  8. Gelehrter: Du hast einige Zeit in einem Kloster verbracht und durch den Kontakt mit belesenen Mönchen deinen Verstand geschärft. KNOWLEDGE+1
  9. Diplomat – du bist der geborene Unterhändler und kannst dich fremden Kulturen geschickt anpassen. Graces +3+ED, „Patient Explanation“ aus der „Respectful Clarity of Speech“.
  10. Sturkopf – Du bist stur. Richtig stur. Wenn du etwas  erreichen willst, dann hält dich niemand auf. Endurance +MD

Chart B

  1. Mistaken Identity Shenanegans – bleibt
  2. Hungersnot – Du hast nicht nur überlebt, als die Mongolen deine Stadt dem Erdboden gleichmachten, sondern bist im folgenden Winter noch nicht einmal verhungert. Vigor +3, Endurance +2, craving: Iß und trink, so viel du kannst!
  3. Tragischer Verlust: Du musstest mit ansehen, wie ein Freund
    / Geschwister von wilden Tieren gerissen wurde und hast dir geschworen,  dieses Biest zur Strecke zu bringen. Cannibal Smile (1),Weapon Skill:  Speer +3, Athletics +1, mission: Töte ((hier Wildtier einsetzen, das deinen Angehörigen getötet hat)), z.B. „Töte den Schwarzen Keiler von Nizhnije“
  4. Caravan Debacle – bleibt
  5. Egoistischer Tyrann: Du wurdest im Stich gelassen und verheizt, aber du hast überlebt und dir diese Methoden abgeguckt…  „Fight Another Day“ und „Stoke the Fire“ aus der „Strategic Educations“, Lie +2, craving: Erringe so viel Macht, wie irgend möglich.
  6. Vengeance Quest – bleibt
  7. Heidnisches Ritual überlebt: Du wärst beinahe in die Fänge von Heiden geraten, die dich ihren dunklen Götzen opfern wollten. Du  weißt bis heute nicht, welchen Dämon sie anbeten, aber das Erlebnis hat  Spuren hinterlassen. Run +2, Athletics +1, Intimidate +2, Duty: Rotte heidnische Glaubenspraktiken aus.
  8. Stolen Birthright – bleibt
  9. Heiler: Du bist behütet aufgewachsen und hast gelernt,  Krankheiten und Wunden zu heilen. Healing +5, Duty: Versöhne Feinde, wann immer du kannst.
  10. Diplomatic Incident – bleibt

Chart C

  1. Ausgestoßener – Irgendwer hat dich bewogen, das Weite zu suchen, vielleicht wurdest du sogar für vogelfrei erklärt… – Problem: Hated Enemy, Dodge +2, Run +2 +ED
  2. Escaped a Death Sentence – bleibt
  3. In die Sklaverei verkauft – Du wurdest als Sklave an  Ungläubige verkauft und konntest nur knapp entkommen. Run +2, Dodge +2, Language: (z.B. arabisch, chinesisch, persisch…)
  4. Unexpected Windfall – bleibt
  5. Stranded – bleibt
  6. Saved Someone‘s Life – bleibt
  7. Unlikely Education – bleibt
  8. Disastrous Mountain Expedition – bleibt
  9. Weit gewanderter Künstler: Du hast die Kunstpraktiken  außerhalb der Rus‘ (vielleicht sogar außerhalb Europas) studiert, nun freut sich jeder Mächtige, dich willkommen zu heißen. Perform+2,
    Fascinate +2+ED
  10. Medeinas Fluch– Du hast es dir mit der litauischen Göttin der wilden Tiere verscherzt  ahlweise auch mit einem Heiligen), nun kommst du nicht mehr besonders gut mit Tieren klar. Außerdem hast du gelernt, auf deine Umgebung zu achten. –Bienen im Schuh sind einfach unangenehm. Hearing +2, Sight +2, Intimidate +1. Problem: Repulsive to Animals.

[TPK] Kompromisse & Menschen

Wieder einmal bin ich anderer Meinung als TPK und zwar in gleich zwei Punkten: Kompromisse und der Stellung von Menschen in den Forgotten Realms. Zum  Einen meine ich, daß soziale Interaktion – und damit auch Rollenspiel –nur mit Kompromissen überhaupt möglich ist. Man muss sich einigen, was man spielt: Welche Regeln man verwendet, auf welcher Welt man spielt usw. Diese Entscheidung fällt meistens noch recht leicht („Wir haben DSA und Aventurien da“), schwieriger wird es dann, wenn es ins Detail geht: Was für eine Kampagne wollen wir spielen? Darf der SL ein Thema festlegen („Wir spielen Piraten im Perlenmeer“) oder muss er sich ganz nach den Wünschen seiner Spieler richten („Wir wollen einen Streuner, einen Rondrageweihten und einen Borbaradianer spielen“)? Und – wollen wir überhaupt Borbaradianer als SC zulassen?

Gleiches gilt noch stärker, wenn man Eigenkreationen in die Regeln (Hausregeln) oder die Hintergrundwelt einbringen will. Bevor man das tut, sollte man sich zudem tunlichst mit der existierenden Welt / den Regeln auskennen,  nicht nur im Wortlaut, sondern auch in Punkto „wie sehen meine Mitspieler das?““. Einfach ein Ninjadojo ins Horasreich zu klotzen, weil man halt immer Ninjas spielt, ohne sich vorher  anzusehen, was das Horasreich ist und ob Ninjas da reinpassen, zeugt  einzig davon, daß man nicht bereit ist, sich auf den vereinbarten  Kompromiß (Spielwelt und Regeln) einzulassen. Dann lauthals zu meckern, weil man Kompromisse eingehen müsse, ist überheblich, egoistisch und schizophren.

Noch abstruser wird es, wenn man dabei versucht, seine eigene Sichtweise der Welt durchzudrücken, getreu dem Motto „„Die Forgotten Realms stellen den Menschen in den Mittelpunkt“.“ Nur steht der Mensch bei den  Forgotten Realms nicht im Mittelpunkt, auch wenn er laut  Hintergrundinformationen die „vorherrschende Rasse“ ist. Das mag ja grundsätzlich gelten, ist aber für das eigentliche Spiel nicht von Belang. In  Abenteuern und Spielrunden herrschen Elfen, Zwerge, Halborks usw. vor. Der Fokus der Forgotten Realms liegt eindeutig nicht auf  Menschen. Ähnlich sieht es auch mit der Magie aus, über die laut  Hintergrundinfo auch kaum einer verfügt, während in den Kreisen, in denen Abenteurer verkehren, magische Zahnstocher +5 üblich sind. Man darf hier Anspruch und Wirklichkeit einer Welt nicht  verwechseln, wenn in einem Spiel die Menschen im Vordergrund stehen  sollen, dann darf das nicht nur so im Hintergrundmaterial stehen, sondern muss sich im eigentlichen Spiel wiederspiegeln.

Erwartung und Ergebnis

Neulich wurde in TPK ein älterer Tanelornartikel namens „Reise nach Ödistan“
diskutiert. Zunächst einmal habe ich mich tierisch über den Artikel aufgeregt, weil mir schien, der Autor würde sich absichtlich dumm stellen, und mich anschließend ein wenig mit KRIpfel gefetzt, wobei mir dann klar wurde, daß hier eigentlich ein ganz anderes Problem zugrunde liegt: Eine zweifach enttäuschte Erwartungshaltung.

1) Ich wollte ein anderes Spiel spielen, als verwendet wurde.

Mit anderen Worten, der Spieler erwartete ein Spiel, in dem Motive, Darstellung und Sehnsüchte der Charaktere eine große Rolle spielen. Gespielt wurde aber ein Spiel mit großem Zufallsfaktor und stark eingeschränken Auswahlmöglichkeiten, in dem es darum geht, mit begrenzten Resourcen ein Hindernis zu überwinden.

2) Das Spiel weckt Erwartungen, die es nicht halten kann.

Das Spiel selbst weckt Erwartungen, die es nicht erfüllen kann – etwa bei DSA, indem es die Spielfiguren „Helden“ nennt. Besonders ausgeprägt ist dieses Problem bei D&D, das einem Abenteuer verspricht, während man in Wirklichkeit Luschen spielt, die sich beständig mit Ärgernissen am oberen Rand des eigenen Kompetenzniveaus herumschlagen müssen. Die Regel bestrafen es, wenn man außerhalb dieses Niveaus agiert, indem Erfahrungspunkte verlorengehen – entweder, weil es für „zu schwache“ Gegner keine gibt, oder, weil man bei zu starken Gegnern mit den Erfahrungspunkten eines Abenteuers höchstens eine Stufe steigen kann und alle überschüssigen Erfahrungspunkte verfallen.

Das Problem liegt hier also eher daran, daß die Regeln doch eine Rolle spielen (system does matter, as the Forge guy said) und die Spieler versuchten, „17 und 4“ nach Skatregeln zu spielen. Einerseits, weil sie es gerne spielen wollten, andererseits, weil auf dem Kartenstapel dummerweise nicht draufstand, was für ein Spiel das eigentlich ist. Es zeigt aber auch, daß ein Spiel deutlich besser wird, wenn nicht nur die Regeln an sich für irgendwas gut sind, sondern ich auch sage, wofür sie gut sind.