Der Wald der verlorenen Schatten

Ich habe ja so eine Hassliebe für K-Dramas: Die bieten oft wundervolle Grundlagen, die mir erlauben, mich total hineinzuträumen. Dann nutzen sie diese Grundlagen aber nicht in der Geschichte, sondern sie dienen bloß als Firnis für eine Standard-Geschichte, wo das Aussehen beliebig ist.

Da ich gerade Der Wald der verlorenen Schatten von Danbi Eo gelesen habe, dachte ich mir, ich zeige einfach anhand dieses Romans mal, was ich meine.

Grundlage des Romans: Es gibt in der Nähe des Dorfes Dogi einen Wald, den man nur mit rituellem Schutz betreten darf. Nur, solange ein selbst entzündetes Licht im Schrein vor dem Wald brennt, kann man ihn gefahrlos betreten. Wenn man ihn ohne diesen Schutz betritt, löst sich der Schatten von den Füßen und versteckt sich im Wald. Ohne Schatten kann man den Wald nicht wieder verlassen und wird langsam zu einem Teil des Waldes. Herrscher des Waldes ist ein alter Gingko-Baum, der Erinnerungen sammelt. Er wird unterstützt von einer Halbfee, die keine Ahnung hat, was Emotionen oder Mimik sind. Außerdem gibt es Erdkobolde, Geisterflammen und eine Yashi.

Im Roman stolpert die Protagonistin durch den Wald, gerät in Probleme, wird von der Halbfee oder den Geisterflammen aus der Gefahr gerettet, und erhält natürlich am Ende ihren Schatten zurück und findet ihre große Liebe. Zwischendurch beginnt sie sich aufzulösen und fühlt sich in jeglicher Hinsicht leichter.

Mir ist natürlich klar, worum es im Roman geht: Die Frau wirft die Fesseln ihres Traumas ab und kann dadurch eine Beziehung eingehen. Sie lernt, ihr Leben nicht mehr von äußeren Umständen definieren zu lassen und kann so endlich ihren eigenen Weg gehen und anderen offen gegenübertreten.

Aber warum, warum, muss das in dieser unverbindlichen Form geschehen? Lass sie doch ihre Emotionen oder Erinnerungen einsetzen, um die Gefahren zu umgehen. Sie empfindet vieles davon als Last, es wäre also zunächst wirklich erleichternd. Erst im Laufe der Geschichte bemerkt sie, was sie mit ihren Erinnerungen oder Emotionen verliert und muss dann zum Ende der Geschichte wirklich entscheiden, was sie aufgibt: Ihren Schatten oder ihre letzte Emotion / Erinnerung.

Es wäre im Grunde immer noch die gleiche Geschichte, aber das ganze Bühnenbild ergäbe plötzlich Sinn und wäre tief mit der persönlichen Seite verbunden, anstatt dass sich beide Seiten unverbindlich gegenüberstehen. Immer, wenn ich so etwas sehe, spüre ich das Verlangen, die Autoren zu schütteln und „Warum? Warum nutzt ihr euer cooles Setup nicht aus!“ zu rufen.

Ich kenne die Antwort natürlich: K-Dramas sind Isekai-Geschichten für pubertierende Mädchen und ich bin weder ein Mädchen noch in der Pubertät, also sehr weit außerhalb der Zielgruppe. Aber meine Güte, es enttäuscht mich jedes Mal wieder – vor allem, weil Bücher wie die Herbstlande zeigen, wie es auch anders geht.

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