Nachdem ich jetzt endlich Elden Ring durchgespielt habe, möchte ich auch in Diskussion über Souls-Like als Inspiration für OSR-Spiele einsteigen. Denn ich denke, sowohl im Vordergrund als auch im Hintergrund gibt es einige Ideen, die die Zu- oder Abneigung gegen die jeweilige Spielart erklären.
Vordergrund
Im Vordergrund sind Souls-Likes ein Spiel, bei dem es um die Optimierung von Spielmechaniken und das Auswendiglernen von Umwelt und Gegnerfähigkeiten geht. Man versucht, eine Figur zu bauen, die besonders gut eine bestimme Rolle ausfüllt und bei Einhalten dieser Rolle zuverlässig Schaden widersteht und austeilt. Dies entspricht dem Vordergrund vieler OSR- (und auch moderner) Rollenspiele: Als Mitglied einer Klasse bin ich in bestimmten Dingen besonders gut, in anderen sehr schlecht, und ich sollte versuchen, zu meinen Stärken zu spielen. Der wichtigste Fokus des Spiels ist der Kampf, weil es dafür am meisten Regeln gibt.
Dieser Vordergrund funktioniert in den Soulslike-Computerspielen sehr gut, weil der Charakter nicht sterben kann, sondern nach seinem Tod automatisch am letzten Speicherpunkt wieder aufsteht und die Situation noch einmal versuchen kann. Ich kann also in kurzer Zeit eine Situation mehrfach probieren, bis ich die richtige Taktik gefunden habe. Dieser Vordergrund funktioniert in Rollenspielen sehr schlecht, weil Charaktererstellung in allen Rollenspielen (sogar den meisten OSR-Spielen, die sich ihrer schnellen Charaktererstellung rühmen) deutlich länger dauert als der Neudurchlauf der taktischen Situation in Soulslikes. Tatsächlich konnte ich die meisten taktischen Situationen in Elden Ring trotz mehrfacher Tode schneller lösen als ich brauche um in AD&D1 einen neuen Charakter zu erstellen.
Die Unfähigkeit zu Sterben ergibt Sinn für ein Computerspiel, wo die Herausforderung darin liegt, als Spieler im Umgang mit einer bestimmten Figur besser zu werden. Sie ergibt keinen Sinn in einem Rollenspiel, wo es darum geht, die eigene Rolle zu finden – wobei Rolle hier zwei Dinge meint, sowohl die eigene Rolle im Sinne von „ich finde mich in meine Figur ein“ und die eigene Rolle im Sinne von „wie findet meine Figur ihren Platz in der Gruppe, mit der ich spiele“.
Im Vordergrund stellen Sous-Likes eine unveränderliche Welt dar, bei der nur bestimmte Ereignisse (der Tod eines Endgegners, bestimmte Zustände von Türen und Leitern) die Umstände verändern. Für ein Computerspiel eignet sich dieses Vorgehen ideal, weil nur unter ansonsten gleichen Umständen das Ausprobieren neuer Taktiken erfolgsversprechend ist. Es wäre für Computerspiele mit dem Fokus eines Soulslike auch schwierig, eine vollständig veränderbare Welt abzubilden. Bei Rollenspielen ergibt sich aber oft viel mehr Spannung daraus, dass sich bei einem Fehlschlag die Situation verändert und man jetzt als Gruppe mit einer neuen Situation umgehen muss.
Der Vordergrund eines Souls-Like passt also sehr schlecht zu einem Rollenspiel. Das, was sie zu guten Elementen in dieser Art von Computerspiel macht, machen sie zu schlechten Elementen in einem typischen Rollenspiel. Man darf sich also, trotz der oberflächlichen Ähnlichkeit, nicht am Vordergrund orientieren. (Emanuele Galletto hat das in seinem inoffiziellen Dark-Souls-Rollenspiel übrigens sehr gut erkannt und entsprechend transformiert).
Hintergrund
Wichtig ist, was bei Soulslikes im Hintergrund passiert, wie diese Art von Spielen ihre Geschichte erzählen (oder Nicht-Geschichte erzählen, je nach Sichtweise). Hier kommt auch der Unterschied zwischen plotorientierten Rollenspielen und typischen OSR-Spielen zum Tragen. Ich kann ein Soulslike spielen, ohne überhaupt etwas von der Geschichte mitzukriegen; theoretisch kann man Elden Ring in knapp 3 Stunden durchspielen, wenn man weiß, welche Punkte man ablaufen muss. Man kann Nebenaufgaben sehr leicht übersehen oder unmöglich machen.
Denn neben dem taktischen Aspekt sind Soulslikes auch Rätsel, bei denen man sich die Hintergrundgeschichte der Welt aus Spielelementen zusammenpuzzeln muss (was zu einer sehr lebhaften Lore-Fan-Szene führt). Man sieht die Bedeutung des Erdenbaums, weil er das gesamte Land dominiert, eigene Wächter besitzt und über die gesamte Karte hinweg mindere Erdenbäume verteilt sind, die immer noch alle normalen Bäume überragen und eigene Endgegner besitzen. Man braucht also niemanden, der einem erzählt, wie wichtig der Erdenbaum ist: Man erlebt es im Spiel.
Die Hintergrundgeschichte wird nicht über Dialog, sondern stückweise und versteckt in den Beschreibungen von Gegenständen erzählt. Umgekehrt kann man aus den Gegenstandsbeschreibungen Taktiken ableiten: Radahn wurde von Fäulnisrittern besiegt, indem sie ihn mit ihren Speeren aufspießten und mit der Scharlachfäule angesteckten. Genau das (also Scharlachfäule und Stichwaffen) sind auch die Schwachpunkte Radahns.
Diese Art des Geschichtenerzählens funktioniert auch wunderbar in Rollenspielen, zumindest beim Spiel im Sandkasten, bei dem Spieler relativ einfach auf Wissensbruchstücke reagieren können. Es erspart langatmige Beschreibungen, sondern verteilt diese auf kleine Bruchstücke. Weil diese Bruchstücke aus der Welt stammen, müssen sie nicht vollkommen widerspruchsfrei sein und erlauben eine veränderliche, aber gleichzeitig in sich kohärente Welt erschaffen. Da beim Spiel in Sandkasten auch unvollständige Informationen kein Problem darstellen, solange Spieler sinnvolle Ansätze haben um erforderliche Informationen zu erlangen, stellt es auch kein Problem dar, wenn Bruchstücke übersehen werden.
Dies unterscheidet den Sandkasten vom plotzentrierten Spiel, wo plotwichtiges Wissen zwingend vorliegen muss, und die Spieler immer klar wissen müssen, welches Wissen gerade plotrelevant ist und welches nicht, weil sonst das Spiel zum Stillstand kommt.
Fazit
Gut gemachte Soulslikes können als Vorbild für den Weltenbau für das Spiel im Sandkasten dienen, wie es in der OSR beliebt ist. Sie sollten nicht als Vorbild für Mechaniken dienen, weil Computer- und Rollenspiele vollständig unterschiedliche Voraussetzungen für Mechaniken haben.
Jemand, der sich für ein Soulslike begeistert, wird höchstwahrscheinlich auch mit dem Spiel im Sandkasten klarkommen. Jemand, den die mangelnde Geschichte in Soulslikes abtörnt, wird vermutlich auch im Rollenspiel mit einer plotzentrierten Kampagne glücklicher – in dieser Hinsicht eignen sie sich, um Interesse oder Desinteresse zu signalisieren.