Archiv für den Monat: Oktober 2020

[Buch] Moderne Mafia

Das Organisierte Verbrechen ist ein beliebter Gegner in Rollenspielkampagnen, aber oft beziehen wir uns dabei auf romantisierende und zudem veraltete Vorlagen aus Romane und Filmen. Ähnliches gilt für die Leute, die gegen die Mafia kämpfen.

Mathilde Schwabeneder-Hain, die österreichische Italien-Korrespondentin des ORF, möchte diesem verzerrten Bild mit zwei Büchern entgegentreten:

Die Stunde der Patinnen – Frauen an der Spitze der Mafia-Clans

ISBN: 978-3-99040-330-3, Styria Verlag

Modernität und Emanzipation machen auch vor dem organisierten Verbrechen nicht Halt. Als ihre Brüder verhaftet werden, übernimmt Giusy Vitale das Kommando im sizilianischen Familienclan. Sie wird Herrin über Leben und Tod und als erste Frau wegen Vergehens gegen den Mafiaparagrafen von der Staatsanwaltschaft Palermo angeklagt. Nunzia Graviano führt die Mafia-Geschäfte im sicheren Frankreich und wäscht schmutziges Geld mit harter Hand rein. Anna Mazza, die schwarze Witwe der Camorra, erweitert das Reich der Schutzgelderpressungen. Auch Ilenia Bellocco ist für ihre Skrupellosigkeit bekannt.

Die schwarz gekleideten, schmerzerfüllten Ehefrauen der Mafia-Bosse gehören längst der Vergangenheit an. Frauen werden zum „Boss mit Rock“. Frauen, die an Härte und Brutalität ihren Männern nicht nachstehen. Clanchefinnen, die den Drogenmarkt beherrschen, Geld waschen, Killer anheuern. Patinnen, die aber auch immer häufiger der Polizei ins Netz gehen. 142 sind derzeit in Haft. Und mit ihnen wächst die Zahl der Kronzeuginnen. Insiderinnen, die der Justiz Einblick in die blutgetränkte Welt des organisierten Verbrechens geben. Wie Carmela Iuculano, die aus Liebe zu ihren Kindern den Ausstieg gewagt hat.

Gestützt auf intensive Recherchen vor Ort und zahlreiche Gespräche schildert Mathilde Schwabeneder die neue Rolle der „Donna-Bosse“ – eine packende Reportage aus dem Süden Europas.

Sie packen aus – Frauen im Kampf gegen die Mafia

ISBN: 978-3-22215-056-2, Molden Verlag

Über viele Jahrzehnte war die Bekämpfung des organisierten Verbrechens in Italien von Männern dominiert. Doch seit den 1970ern hat eine neue Generation von Frauen begonnen, gegen die Mafia Widerstand zu leisten. So vertraute Piera Aiello, Augenzeugin bei der Ermordung ihres Mannes, ihr Wissen den Staatsanwälten an und engagiert sich bis heute als Parlamentarierin für einen besseren Schutz der Kronzeugen. Fotografin Letizia Battaglia dokumentiert als Chronistin der Mafia ihre Taten, wie etwa die Ermordung des Bruders des heutigen Staatspräsidenten. Die Journalistin Allessia Candito, mehrfach durch die kalabrische Mafia bedroht, deckt die Verbindungen zwischen Kirche und Mafia auf. Und Laura Garavini setzt mit ihrer Gründung einer Anti-Mafia-Bewegung in Deutschland den Kampf gegen die Mafia auch im deutschsprachigen Raum fort. Mathilde Schwabeneders Porträt dieser Frauenzeichnet ein verstörendes und eindrucksvolles Bild eines Kampfes gegen eine Macht, bei dem ein Sieg aussichtslos scheint – trotzdem kämpfen diese Frauen weiter.

[Rezension] Sea People: The Puzzle of Polynesia

Spätestens seit dem Film „Vaiana – Das Paradies hat einen Haken“ dürften die Polynesier als Entdecker und Seefahrer allgemein bekannt sein, doch Seenomaden waren auch vorher schon ein beliebtes Thema in Rollenspielen. Im Buch Sea People – The Puzzle of Polynesia von Christina Thompson beschreibt die Autorin die Geschichte der Polynesier und wie wir Europäer sie kennengelernt haben.

Sprachlich ist das Buch sehr angenehm, es liest sich mehr wie eine Reisebeschreibung als wie ein Fachbuch. Tatsächlich nimmt die Autorin uns auch mit auf eine Reise, sie reist nämlich durch die Zeit und erzählt dabei, wie die verschiedenen Forscher auf die Polynesier eingingen und was sie von ihnen hielten, aber auch, welche Schwierigkeiten es bei der Forschung gab.

Ein Großteil des Buches geht dabei auf die Schwierigkeiten ein, das polynesische Wissen in europäisches Wissen zu übersetzen: Denn beide Seiten hatten Kenntnisse, die der anderen fehlten, fanden es aber schwierig, sie der jeweils anderen verständlich zu machen. Erst im späten 20. Jahrhundert gelang es der Polynesian Voyaging Society, beide Ansichten zu verbinden, als wissenschaftlich ausgebildete Haiwai’ianer von traditionellen Navigatoren lernten.

Nach allem, was ich gehört habe, ist das Buch ein hervorragendes Grundlagenwerk, wenn man sich mit der Geschichte und Kultur Polynesiens auseinandersetzen möchte. Das kann ich aber nicht beurteilen, weil ich kein Fachmann bin. Was ich sagen kann: Das Buch macht Lust auf Polynesien. Nach dem Lesen möchte ich mehr darüber wissen, weil es so faszinierend klingt.

Ich würde mir allerdings nicht zutrauen, allein anhand dieses Buches eine Kampagne in Polynesien zu spielen. Es deckt zwar das Wissen ab, dass man für die wichtigsten Abenteuermomente braucht, aber es fehlt viel von dem Wissen, das man für das Flair einer Kampagne braucht.

Gleichzeitig ist das Buch dadurch aber allgemein eine Hilfe für Kampagnen, in denen es um den Kontakt zwischen verschiedenen Kulturen gehen soll. Nahezu jedes Kapitel bietet mindestens einen Abenteueraufhänger für solche Kontakte an.

Ich kann das Buch insgesamt jeden empfehlen, der entweder eine entsprechende Kontakt-Kampagne plant oder einen wissenschaftlich fundierten, aber dennoch leicht verständlichen Einstieg zu polynesischer Geschichte sucht.