Archiv für den Monat: April 2020

[Karneval] Weltuntergang

Der Weltuntergang ist ja arg umstritten, während Kurt-Adolf Thelen den Weltuntergang auf den 30. Mai legt, meint Zarah Leander, davon ginge die Welt nicht unter. Dennoch bleibt der Weltuntergang ein beliebtes Stilmittel in Rollenspielen, weshalb Dnalor auch den Karneval der Rollenspiels im April zum Thema Weltuntergang veranstaltet (sehr vorausschauend: Falls Thelen recht hat, bleibt einem mindestens ein Monat zum Vorbereiten).

Allerdings gibt es sehr viele Weltuntergänge: Von schnell und einfach bis langsam und komplex. Alle lassen sich im Rollenspiel nutzen, aber eben zu unterschiedlichen Zwecken.

  1. Kurz und Schmerzlos

Der einfachste Weltuntergang ist sicherlich der direkt bevorstehende Weltuntergang, der mit einfachsten Mitteln aufgehalten werden kann: Sei es die Weltuntergangsmaschine, die ausgeschaltet, das Weltuntergangsritual, das gestört, oder das Loch im Raum-Zeit-Kontinuum, das gestopft werden muss. In allem Fällen handelt es sich im Grunde um einen Vorwand für ein Abenteuer, das die Protagonisten nicht ablehnen können: Nur sie sind in der Lage, die unmittelbar bevorstehende Katastrophe mit der Kraft des MacGuffin zu verhindern. Das macht es für den Meister äußerst bequem, weshalb es besonders in den 1990ern in Abenteuern auch inflationär gebraucht wurde. (Comics und Comicverfilmungen mögen das Thema aber auch.)

Trotz aller Bequemlichkeit hat diese Art von Abenteuer ihre Tücken: Die Gruppe ist zum Erfolg verdammt. Sobald sie einmal scheitert, kann es nicht mehr weitergehen. Nicht nur die Gruppe selbst ist zerstört, sondern die ganze Kampagnenwelt unbrauchbar. Es gibt keine Möglichkeit, nach der Niederlage der Gruppe neu anzusetzen oder sich mit deren Scheitern zu beschäftigen. (Es gibt sogar Rollenspiele, die dieses Problem durchspielen: in CJ Carella’s WitchCraft war die Bedrohung durch die Großen Alten ein beliebtes Problem, dem sich beständig kleine Gruppen von Abenteurern entgegenstellen müssen. Irgendwann ist eine der Gruppen einmal gescheitert und das Folgesetting hieß dann Armageddon: The End Times.)

Inzwischen ist diese Sorte von Plot glücklicherweise etwas aus der Mode geraten.

2. Langsam und unabwendbar

Schon Knorkator wusste: Wir werden alle sterben. Irgendwie, irgendwo, irgendwann. Im Laufe der Unendlichkeit werden die Sterne erlöschen und das Universum zu absoluter Ordnung oder absolutem Chaos finden. Deutlich davor wird die Sonne die Erde verschlingen. Es gibt ein ganzes Genre, das sich mit diesem Thema beschäftigen: Dying Earth. Als Rollenspiel aufbereitet wurde es im Dying Earth RPG nach den Science-Fiction-Romanen der Sterbenden Erde von Jack Vance, aber auch J.G. Ballard und andere bekannte Autoren schrieben diverse Kurzgeschichten zum unabwendbaren Ende der Menschheit.

Dying Earth is a subgenre of science fantasy or science fiction which takes place in the far future at either the end of life on Earth or the end of time, when the laws of the universe themselves fail. Themes of world-weariness, innocence (wounded or otherwise), idealism, entropy, (permanent) exhaustion/depletion of many or all resources (such as soil nutrients), and the hope of renewal dominate.

https://en.wikipedia.org/wiki/Dying_Earth_genre

Auch diverse mythische Erzählungen gehen von einem beständigen Verschlechtern der Welt aus, sei es die altgriechische Weltalterlehre mit ihrem beständigen Niedergang vom goldenen zum tönernen Zeitalter, seien es die hinduistischen Yugas, den konfuzianischen Kis, oder den Zeitaltern der Maya, Inka und Aztekten.

In diesem Umfeld geht es nicht darum, etwas am Ende zu ändern: Es steht fest. Es geht nur darum, wie man mit diesem unabweichlichen Ende, der Hoffnungslosigkeit und dem ständigen Niedergang umgeht. Es bildet also nur den Hintergrund, vor dem Abenteuer spielen, spielt selbst als Ereignis aber keine Rolle. Im Rahmen der Neuen Deutschen Endzeit kamen diverse Rollenspiele mit dieser Thematik heraus.

3. Schnell und unabwendbar

Der typische Katastrophenfilm, bei dem das Ende unmittelbar bevorsteht, aber niemand etwas dagegen tun kann. Man durchlebt den Weltuntergang. Hier tritt die Katastrophe selbst als Gegenspieler auf, mit dem sich die Helden auseinandersetzen müssen – während sie gleichzeitig gucken, was sie mit der wenigen ihnen verbleibenden Zeit anfangen. Beispielhaft wurde dies im Film Das letzte Ufer umgesetzt.

Als Kampagne eignet es sich nicht so gut, aber als Hintergrund für Fiasko würde es funktionieren.

4. Langsam und abwendbar

Dieser Weltuntergang beschäftigt uns Menschen dauernd: Im Augenblick ist es der Klimawandel, in den 1980ern war es der Weltenbrand durch Atombomben. Ein mögliches Ende der Menschheit durch uns selbst, dem wir aber durch langsames und beharrliches Arbeiten selbst ein Ende bereiten können.

Dies ist Politik der allerschwierigsten Sorte, wo langfristige Ziele gegenüber kurzfristigen Vorteile verteidigt werden müssen.

Erstaunlicherweise lässt sich das Thema durchaus im Rollenspiel umsetzen, auch wenn man die Gruppe das Ziel nicht selbst durchsetzen kann: Sie kann ein bestimmtes Teilziel ansteuern, etwa eine Gesetzesänderung oder eine politische Verschiebung. Zu diesem Zweck sucht sie nach Beweisen, recherchiert Profiteuren hinterher und macht deren Verhalten öffentlich usw. Es ist allerdings sehr politisch und kleinkrämerisch, da hat nicht jeder Lust zu.

[Literaturtipp] Expeditionstagebuch aus den 1920ern

Vielleicht für diejenigen interessant, die in den 1920ern spielen: Bei einer Forschungsreise auf der METEOR starb überraschend der Expeditionsleiter, der Kapitän übernahm stattdessen. Nun wurde dessen Tagebuch transkribiert und in die Ausstellung des Museums übernommen. Bei der Reise sollte der Boden des Atlantik kartiert werden.

An fantastischen Elemente würde mir z.B. einfallen, dass die Reise eigentlich nach Atlantis oder Ryleh suchen sollte. Oder der Kapitän hat etwas notiert, was geheim bleiben sollte (z.B. ein Ritual), und deswegen versucht nun jemand, das Tagebuch zu stehlen.

Tagebuch der METEOR transkribiert