Magie und Technik werden oft als Gegensätze dargestellt, die einander inkompatibel oder gar feindlich gegenüberstehen: Der Angst vor der Verlust der Menschlichkeit durch Einsatz von technischen Prothesen im Cyberpunk. Die gegenseitige Störung von Magie und Technik in gängiger Urban Fantasy. Das Verblassen der Magie bei Anbruch des 4. Zeitalters im Herrn der Ringe.
Dem genau entgegengesetzt steht der Einsatz von Magie: Dieser erfolgt in der Regel anhand klarer Ursache-Wirkungs-Beziehungen, also nach wissenschaftlichen Methoden. Dies dürfte vor allem zwei Einflüssen geschuldet sein: Den Zwang zu regelbasierter Anwendung in Rollenspielen und Sanderson’s Laws Of Magic als Grundlage für den narrativen Einsatz von Magie in Literatur und Film.
Dieser Gegensatz zwischen Magie und Technik kam zumindest mir bisher recht ewig vor, ich musste mich aber kürzlich eines besseren belehren lassen: Es ist eine recht neumodische Erfindung. Laut Katrin Petroschkats Doktorarbeit Magisch-technische Verwicklungen der Moderne entwickelte sie sich erst im 19. Jahrhundert als sich die Wissenschaft endgültig von der Naturphilosophie trennte. Davor gab es diesen Widerspruch nicht: Isaac Newton war gleichzeitig Wissenschaftler, Theologe und Alchemist. Gleiches gilt für viele andere „Helden der Wissenschaft“, die ebenfalls erst im 19 Jhd. durch sendungsbewusste Atheisten zu den Vorkämpfern der rationalen Wissenschaft gegenüber der emotionalen Religion ernannt wurden.
Klingt dieser Unterschied zwischen überlegen rationalem und unterlegenem emotionalen Handeln vertraut? Die bis heute virulente Vorstellung des rationalen, gebildeten Mannes stammt von den gleichen Leuten. Sie erfanden auch die hysterische Frau und die faule, triebgesteuerte Unterschicht – die beide der Religion bedurften, um einigermaßen bezähmbar zu sein.
Der Widerspruch von Wissenschaft und Technik schreibt also im Grunde nur die Auseinandersetzung zwischen Religion und Naturwissenschaft aus dem 18. und 19. Jahrhundert fort, wie es auch bei Max Weber mit der Entzauberung der Welt anklingt.
Beliebt waren auch Deutungen alter Mythen als missverstandene hohe Technik gemäß Clarkes Axion Any sufficiently advanced technology is indistinguishable from magic, insbesondere in der Ostblock-Science-Fiction. (Dieser Ansicht verdanken wir leider nicht nur lustige Science-Fiction wie z.B. Stargate und den Magitek, sondern auch Präastronautik und Pseudoarchäolgie.)
Dieses Verhältnis ist aber keineswegs zwingend, wie man sowohl historisch als auch im hier und heute sieht. Historisch waren es gerade die genaue Beobachtung der Umwelt, um die Wirksamkeit magischer Praktiken zu beurteilen, die den Grundstein für unsere Naturwissenschaft legte. Heute verbinden Esoteriker munter (oftmals falsch verstandene) modernste wissenschaftliche Erkenntnisse mit Allbeseeltheitsvorstellungen – nicht unähnlich der Volksfrömmigkeit, die oftmals ebenfalls im Widerspruch zum Dogma stand und eigene Fanfiction zu den Lieblingsstellen aus Heiligen Schriften entwickelte.
Ich würde hier jetzt gerne ein Fazit schreiben, aber ich habe keins: Ich habe noch keine Idee, wie man alternative Verhältnisse von Magie und Technik gestalten könnte. Ich wollte eigentlich nur meinen Gedankenwust etwas ordnen und weiß, dass ich dabei notwendig oberflächlich bleiben musste. Vielleicht kann der eine oder andere ja etwas damit anfangen oder sogar Anregungen geben, wie man das Verhältnis neu gestalten kann.