Archiv für den Monat: Februar 2011

Start im Sandkasten

Die Sandkasten-Welle ist zwar inzwischen etwas abgeflaut, aber ich habe gerade wieder eine etwas ältere Artikelserie (The Tableau, The Call to Action, A Trick) nochmals gelesen und erkannt, dass sie auch eine gute Grundlage für das Spiel im Sandkasten ist.

Beim Spiel im Sandkasten besteht ja immer das Problem, die Spieler in die Welt einzuwickeln, damit sie sich Aufgaben suchen, an denen sie sich abarbeiten können. Nun besteht aber oft der Teufelskreis, dass die Welt zu leer ist, um sich aus ihr zu spezifischen Aufgaben des eigenen Charakters inspirieren zu lassen, genau deshalb aber kein zusätzliches Material für die Welt hinzukommt, weil die Spieler die Leerflächen halt nicht ausschmücken. Wichtig sind für das Spiel im Sandkasten daher einige Schnellstarter, also Dinge, welche die Spieler schnell in ein erstes Abenteuer ziehen, aus dem sich Komplikationen, Inspirationen und Ziele ergeben.

Ohne diese Schnellstarter hat man nur Situationen, die in den Artikeln als Tableau beschrieben werden. Diese locken die Spielern nicht wirklich ins Abenteuer, sondern werden von den Spielern eigentlich nur angenommen, weil es „eindeutig das Abenteuer ist und wir sonst umsonst hergekommen sind“. Das ist aber genau das, was man in einem Sandkasten nicht will, denn der lebt dafür, dass die Spieler Entscheidungen treffen und sich aus diesen Entscheidungen Konsequenzen ergeben. Bei einer statischen Situationen ist das aber nicht möglich, weshalb es den Spielern gleich eine „falsche“ Verhaltensweise nahelegt.

Stattdessen braucht man eine Situation, die zum Handeln auffordert. Zum Handeln fordern Situationen auf, in denen ich einen dringlichen Grund und eine Gelegenheit habe, und in denen meine Entscheidung in jedem Fall Konsequenzen nach sich zieht.

Wenn eine Orkhorde zwischen der Burg Stauburg und der Stadt Staustadt lagert, ist das ein Tableau. Die Situation ist statisch. Nehmen wir aber einmal an, die Orks haben die Burg umgangen und wollen sich jetzt mit weiteren Orks verbünden, um die Stadt einzunehmen. Die Stadt könnte sich zwar kurzfristig verteidigen, aber die Orks ohne Hilfe nie zurückschlagen. Nun gibt es einen Aufruf, dass derjenige sehr viel Geld erhält, der innerhalb von einer Woche eine Botschaft von Staustadt nach Stauburg bringt, damit man am folgenden Mittwoch die Orkhorde in die Zange nehmen und vertreiben kann, bevor ihre Verbündeten auftauchen. Et voilà! Schon haben die Spieler die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen: Führen sie den gefährlichen Auftrag aus? Oder fliehen sie lieber aus der Stadt, solange sie noch können? Oder warten sie ab, bis die Orks kommen, und rauben während eines Sturmangriffs die dann kaum bewachte Stadtkasse aus? Ihre Entscheidung – und ihr (Miß-)Erfolg – haben auf jeden Fall Konsequenzen für die Stadt (und für den Rest der Spielwelt).

Man muss hierbei aber sehr vorsichtig sein: Die Bedrohung darf nur punktuell sein, denn sonst haben die Spieler keine ernsthafte Entscheidungsmöglichkeit mehr. Eine weltumspannende Bedrohung, die nur von den Spielern aufgehalten werden kann, lässt keinen Entscheidungsspielraum. Eine von Orks geplünderte Kleinstadt hingegen – nun ja, dumm für die Anwohner, aber es gibt ja noch genügend andere Städte auf der anderen Seite des Königreichs.

Als zweiter wichtiger Punkt müssen sich aus den Entscheidungen der Charaktere (und Spieler) neue Abenteueraufhänger ergeben. Wenn sie den Brief überbringen, sollten sie auf dem Weg mehrere Dinge finden (oder Gerüchte hören), denen nachzugehen sich lohnen würde. Das kann alles möglich sein: Ein mysteriöser Ort im Wald, eine Statue mit einer kryptischen Inschrift vor einer Höhle, Gerüchte über große Schätze, Handelszüge, Intrigen usw., oder auch ein Monster, dass die Spieler einfach verärgert hat. Hier sollte der Zeitdruck nicht ganz so extrem sein, aber doch so groß, dass es nicht möglich ist, allen diesen Dingen nachzugehen.

Der Trick besteht nun daraus, diese zunächst recht generischen Aufhänger an die Charaktere anzupassen. Da die Charaktere mit der Zeit Profil gewinnen, wird dies immer einfacher. Dazu kann man zunächst einmal offensichtliche Charakterzüge und Selbstbeschreibungen anspielen, im einfachsten Fall z.B. einen Auftraggeber, der die Selbstdarstellung des Charakters gehört hat und ihn deswegen anheuert (Drei Amigos und Galaxy Quest lassen grüßen). Mit der Zeit sollten diese Dinge aber eher indirekt angespielt werden, so könnte z.B. ein Kredithai versuchen, einen Charakter über die Schulden dessen neuester Eroberung zu erpressen. Ziel ist es dabei, dass der Charakterzug nicht ausnudelt, weil er zu oft direkt angespielt wird, sondern gelegentlich neue Aspekte erhält.

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