Wizards of the Coast wollen die Open Gaming Licence abschaffen, auch wenn es offiziell nur um eine Umstellung auf eine „neue“ Version ist. Gleichzeitig bricht die Frage nach dem Urheberrecht auf Regeln wieder auf.
Beides verkennt aber, warum die OGL so bereichernd für die Rollenspiel-Szene war. Es ging dabei nicht um die rechtliche Relevanz der Lizenz oder um die Freiheit des Rollenspielmaterials. Eher kann man sie als eine Art FRAND (Regelung für Nutzung von normwichtigen Patenten) für Rollenspielregeln sehen: Sie diente vorrangig wirtschaftlichen Zwecken und geregelten Zugang zu Techniken.
Rob Donoghue (einer der Köpfer hinter dem Fate RPG und Evil Hat) erklärt es recht gut: WotC wollte mit der OGL die Arbeit an Zusatzmaterial auslagern.
Deshalb verlagerten sie auch die Entwicklung für viele der „kleineren“ Settings wie Dark Sun, Ravenloft oder Al Quadim an Fan-Gruppen. Für WotC war es unwirtschaftlich, selbst Nischen-Material zu entwickeln, gleichzeitig erhöhte solches Nischen-Material aber den Absatz ihrer Regelwerke.
Die OGL sollte es also kleineren Unternehmen erlauben, Material für solche Nischen zu entwickeln und zu verkaufen. Daher die Trennung zwischen Open Content und Product Identity. Der Open Content sorgte dafür, dass die Regeln geteilt werden konnten (im Patent-Norm-Sinne: Interoperabilität sicherstellen). Die Product Identity garantierte, dass andere Unternehmen nicht einfach Trittbrett mit Neuauflagen von WotC-Material fahren und (umgekehrt) auch dass Eigenkreationen anderer Unternehmen nicht einfach von WotC aufgesogen werden.
WotC fesselte sich mit der OGL also selbst, um das Vertrauen anderer Marktteilnehmer zu gewinnen. Unabhängig davon, ob man Rollenspiel-Regeln nun rechtlich schützen kann oder nicht, ob man die OGL braucht oder nicht: Ich konnte mir sicher sein, dass WotC mich nicht verklagt. Aufgrund des enormen Machtungleichgewichts zwischen WotC und allen anderen Rollenspiel-Herstellern war dieses Versprechen an sich extrem wertvoll. (Gerichtsprozesse kosten viel Geld und gefährden so die Solvenz, auch wenn mein Insolvenzverwalter das Verfahren später gewinnt).
So ein Versprechen kommt uns heute natürlich vor, aber im Rollenspielbereich war es vor der Einführung der OGL keineswegs selbstverständlich – sowohl TSR als auch White Wolf und Palladium hatten zu jener Zeit den Ruf, ihr geistiges Eigentum eher mit Unterlassungserklärungen und Klagen zu verteidigen als eine derart offene Kooperation anzubieten.
Dieses Vertrauen und diese Kooperation zerschlägt Hasbro mit ihrer Aberkennung der OGL. Deshalb wollen Paizo, Chaosium und diverse kleinere Verlage als Ersatz die Open RPG License auflegen. Nicht, weil sie rechtlich gebraucht wird (die CC-BY wäre in der Hinsicht ausreichend), sondern weil sie eben diese Selbstverpflichtung zur Kooperation ausdrückt. Quasi das moderne Gegenstück zum altkeltischen Geis.